Ole Nydahls völkischer Buddhismus

M. Steingass —  5.10.17

Diplom-Lama Ole Nydahl ist in letzter Zeit wieder vermehrt in die Kritik geraten nachdem es einige Jahre um seine reaktionären Äusserungen ruhig war. Ein Beitrag des Deutschlandfunks vom Juli diesen Jahres behauptet schon im Aufmacher über seinen so genannten Diamantweg-Buddhismus:

Rechtsradikale Gedanken werden weggelächelt […].

Im Aufmacher eines Beitrages des BR vom August wird Nydahls Diamantweg zum

Instant-Buddhismus.

Rechtsradikale Gedanken und Instant-Buddhismus?

Es gibt seit längerem Gerüchte bzw. Indizien darüber, dass Nydahl auf seinen Veranstaltungen „populistische Behauptungen an der Grenze zur Volksverhetzung“ von sich gäbe und dass er u.a. die Wahl der AfD empfohlen habe. Dazu passen seine Aussagen (siehe Beitrag Deutschlandfunk) über „fremde Einflüsse“ und Sätze wie dieser:

Die Leute hätten einfach nur das Koran lesen müssen […] dann hätten wir vielleicht nicht so viele über die Grenze geholt oder aus dem Wasser geholt, sogar.“

Was der Diplom-Lama mit einem augenzwinkernden Grinsen sagt, hört man in dieser Art vielerorts. Die Aussage passt gut zu Begriffen der Neuen Rechten. Nydahls Aussage, in der es um „fremde Einflüsse“ geht, impliziert klar „das Eigene“ – ein typischer Kampfbegriff der Neuen Rechten: das Eigene soll geschützt werden vor einer „Flüchtlingsflut“, vor einer „Islamisierung“ und vor einer „Verdrängung unserer Kultur“ durch „Andersartige“.

Auch das Gerede des Dilpom-Lama von Inhalten des Koran als Anweisung zum Attentat von Brüssel ist einer neurechten Rede verwandt. Der Islam wird so als grundsätzliches Feindbild aufgebaut und die Warnung vor einer Islamisierung, die in Nydahls Sätzen zum Ausdruck kommt, gleicht deutlich der Parole einer neurechten Sammlungspolitik die man auch bei Pegida, AfD, NPD, bei den Identitären etc. pp. erkennt.

Die Interviewpassagen die der Deutschlandfunk thematisiert, sind in dieser Hinsicht sehr erhellend (man vergleiche zu neurechten Kampfbegriffen auch diesen Artikel der FAZ). Nydahls Relativierung, man habe ihn bei seiner Aussage bezüglich der Leute die man vielleicht nicht aus dem Wasser hätte holen sollen, auf Grund „[s]eines Deutsch anscheinend missverstanden“, kann man als eine Ausrede abtun, die nur den naivsten Gläubigen problemlos eingehen dürfte. Als eine Ausrede übrigens, die auch typisch ist für Neurechte: Man hat da was missverstanden, nicht wahr. Das kennen wir doch von Gauland, Weidel, Petry, Höcke und Konsorten  – man hat ihn missverstanden, den armen Erleuchteten, der sich aber doch eigentlich per Definition immer im Klaren darüber sein sollte, was zu sagen ist und was nicht. Man hat ihn missverstanden, den Meister, weil er so schlecht Deutsch kann, obwohl er doch seit Jahrzehnten auf Deutsch lehrt…

Wenn also das Gerücht ein Gerücht bleibt, dass unser Diplom-Lama die AfD empfiehlt, so ist seine Sprache doch durchaus eine, die zu diesem Gerücht sehr gut passt.

Die recht schlichte Geisteshaltung die hier zum Ausdruck kommt, findet sich auch in Nydahls Buddhismusaufassung wieder. Man sehe sich dazu einmal die „Fragen an den Lama“ an, die man auf seiner Diplom-Lama-Website findet. Was sich hier zeigt ist erbarmungswürdig. Sein Begriff vom Karma ist von beispielloser Naivität.

Da wird zunächst mal ein so genanntes „Speicherbewusstsein“ (ālāyavijñāna) kritiklos aus der buddhistischen Philosophie übernommen. Dieser individuelle Speicher von „Eindrücken“, soll den physischen Tod überdauern und dann dafür verantwortlich sein, wie man wieder geboren wird.  Nach dem Tod, so der Diplom-Lama, „kommen die[se] unterbewussten Eindrücke hoch und führen zu verschiedenen Ergebnissen“.

Unter anderem ergibt sich aus diesen Ergebnissen, in welchem Land man wieder geboren wird:

In ein furchtbares, wie es viele gibt in der dritten Welt, Afrika, Teilen von Asien, usw. oder in ein angenehmes wie in Nordeuropa oder Nordamerika.

Weiter heisst es dazu:

Erlebt man die Auswirkungen vom eigenen schlechtem Karma, dann hat man längst vergessen, dass man die Kakteen selbst gepflanzt hat, in denen man jetzt sitzt.

Mit anderen Worten, wer beispielsweise als Schwarzer in einem der riesigen afrikanischen Slum lebt, hat sich das wegen Taten in früheren Leben selbst zuzuschreiben. Nehmen wir zum Beispiel West Point, Monrovia:

Eine Million Menschen. Ein riesiger Slum in der Hauptstadt Liberias – einem Land das auf dem Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen zwischen Äthiopien und Afghanistan auf Platz 174 von 186 Staaten steht. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung unterernährt. Offizielle Arbeitslosenrate bei 85 Prozent. Durchschnittliche Lebenserwartung knapp über 40 Jahre. Keine Kläranlagen, keine Krankenhäuser, keine Schulen, nix zu essen, stattdessen Crack, Kinderprostitution, Gewalt…

Nicht etwa geschichtliche Entwicklungen führen dazu, dass millionenfach Menschen im Elend leben, sondern allein deren individuelle Taten aus früheren Leben führen zu einem Leben am untersten Ende der globale Hackordnung.

Und das nun verkauft uns der Diamantweg als Buddhismus. Nicht etwa ein Nachdenken über tatsächliche Bedingungen für Entwicklungen die zu solchen Zuständen führen, sondern eine zynische und oberflächliche (V)Erklärung in Sachen Karma – die diverse ‚Vorzüge‘ hat: 1. Weiteres Nachdenken nicht notwendig. Der Diplom-Lama sagt wie es ist, basta! 2. Man selbst weiss Bescheid, diejenigen aber die im Elend leben, können nicht Beschied wissen (siehe Zitat oben). Was dem Diamantweg 3. ermöglicht, jede Kritik der Elenden an ihren Zuständen und Lebensumständen als unwissend in Bezug auf die wahren Uraschen ihres Elends abzutun. Letzteres übrigens eine klassische Selbstimmunisierung gegen Kritik. 4. Eine solche Aufteilung – wir hier im Reinen Land, die da im Dreck – hat eine eindrucksvolle Ähnlichkeit mit einer imperialistischen Herrenmenschen-Mentalität, die u.a. Afrika auf brutalste Art ausgebeutete und aus der letztlich nichts weniger als der deutsche Faschismus hervor gegangen ist.

Es passt also beides: die Begrifflichkeiten passen zur AfD oder sogar zu Schlimmerem und ein Karmabegriff wie der des Diamantweges ist so schlicht und primitiv, dass „Instant-Buddhismus“ sicher zutrifft aber deutlich untertrieben ist. Die genanten Beispiele mögen als Anlass dienen, die Ideologie dieser Leute in genannter Hinsicht genauer unter die Lupe zu nehmen.

Völkischer Buddhismus

Nehmen wir nun aber beides zusammen. 1. die klare Aufteilung des Diplom-Lamas in wir hier mit unserem Eigenen und die dort im Fremden und 2. die karmische Bedingtheit, die der Diplom-Lama anführt, die diese Teilung rechtfertigt.

Wenn Afrikaner, Moslems und wer sonst noch, aus karmischen Gründen, die sie ausschliesslich selbst zu verantworten haben, dort leben wo sie eben leben und wenn wir hier auch aus karmischen Gründen im Sinne Nydahls hier leben, dann haben die dort kein Recht hierher zu kommen. Sie sind ja selbst Schuld an ihrem Elend und dürfen uns also nicht mit ihrer selbstverursachten Lage belästigen. Diese Auffassung passt ausgezeichnet zu einer neo-völkischen Ideologie der Neuen Rechten, die dem „Fremden“ jegliches Recht abspricht bei uns Hilfe zu suchen. Mehr noch: diese Auffassung benötigt keine umständlichen neurechten Konstruktionen des Eigenen. Es reicht, ein schlichtes karmisches Gesetz zu postulieren. Intellektuell ist das sicher noch tiefer anzusiedeln als der ganzen Mist den die Neue Rechte verzapft. Das ist es wo man Ole Nydahl und seinen Diamantweg verorten muss.

Trackbacks und Pingbacks:

  1. Lama Ole Nydahl: »Nehmt ihr das Mikrofon weg!« – Kritisches Nachfragen nicht erwünscht – Buddhismus auf Abwegen - Dezember 20, 2017

    […] Ole Nydahls völkischer Buddhismus – Matthias Steingass […]