Laruelle und Buddhismus?

M. Steingass —  17.1.16

Der zweite und dritte Teil meines Aufsatzes/Vortrages Vom Kitsch der Erleuchteten ist nun in leicht überarbeiteter Form in Narthex #2 unter dem Titel Laruelle und Buddhismus? erschienen. Narthex. Heft für radikales Denken ist die ein bis zwei Mal im Jahr erscheinende Broschüre der HARP – das ist die HALKYONISCHE ASSOZIATION FÜR RADIKALE PHILOSOPHIE. Weitere Informationen über HARP und wie das Heft zu beziehen ist, finden sich auf den zwei verlinkten Seiten.

Der Lektor meines Textes schrieb in einer Reaktion:

[I]ch [hatte] einen gepfefferten Buddhismusverriss erwartet (unter Umständen vielleicht im Stil von Žižek oder so ähnlich) – was Matthias stattdessen geliefert hat, ist ein interkultureller Vergleich von mahāyāna-buddhistischer und französischer postmoderner Philosphie, der mehr auf epistemologische Konvergenz hinausläuft als auf unüberbrückbare ontologische Gegensätze.

Die „gepfefferte Buddhismuskritik“ war nicht Sache dieses Aufsatzes. Die habe ich zur Genüge hauptsächlich in den Jahren 2012 bis 2014 auf diesem Blog gebracht. Des weiteren ist in diesem Aufsatz, vor allem in seinem ersten Teil, ein viel gepfeffertere Buddhismuskritk enthalten, als ich sie bis dahin anging.

Oder: Über die Möglichkeitsbedingungen des interkulturellen Vergleiches

Das Problem dieser Kritik betrifft die Möglichkeitsbedingungen eines „interkulturellen Vergleiches“. Ich gebe mich keineswegs der Illusion hin, dass dieser so ohne weiteres möglich ist. Ich setze voraus, dass dieser grundsätzlich auch in Frage steht, da er von einer weiteren, dritten, nicht kritisierten Setzung ausgeht, die diesen Vergleich überhaupt erst ermöglicht. Dieser Vergleich kommt entweder immer noch in ein Art kolonialistischer Manier daher – das findet sich hauptsächlich in dem was wir X-Buddhismus nennen – oder in einer postmodernen, relativistischen Manier, die vergisst zu fragen, von welchem Standort aus sie ihren Relativismus ansetzt (einzuschließen sind hier auch dialektische Verfahren). Beide Formen setzen ohne Weiteres die Setzungen europäischen Denkens seit der Antike voraus und gründen somit in einer Syntax des Denkens, die möglicherweise in anderen Kulturen so zuallererst nicht auftrat. Es geht hier unmittelbar um die „Entscheidung“, wie sie von François Laruelle bezeichnet wird. Die Problematik die sich für die Kritik hier ergibt ist die, dass man das ganz Andere, um das es geht, schwerlich denken kann, wenn man vom ganz Eigenen ausgeht, welches ein solches ganz Anderes überhaupt erst ermöglicht. Die Differenz um die es hier geht, ergibt sich erst nach der Entscheidung und somit ist dieses ganz Andere eine Figur unseres europäischen Denkens und kann das Eigentliche einer anderen Kultur überhaupt nicht erfassen. Dieses überhaupt nicht Erfassbare ist also etwas ganz anderes als das ganz Andere – es ist etwas anderes als die Dichotomie von A=A und A≠B impliziert. Es kann also gar nicht um „unüberbrückbare ontologische Gegensätze“ gehen. Die ganze Problematik ist auch im ersten Absatz meines Textes in Narthex #2 kurz referenziert, indem ich die Hypothese aufstelle, dass im asiatischen Buddhismus A≠Bmöglicherweise von vorne herein nicht in „Substanz“ gedacht wurde. Wenn es überhaupt um etwas geht, dann impliziert mein Aufsatz zunächst eine praktische, immanente Dezentrierung des eigenen ontologischen Narzissmus von ‚innen‘ her. Ob diese Dezentrierung zu einem anderen Denken im Sinne François Laruelles führt, bleibt offen. In dieser Hinsicht ist, weit über das Problem einer postmodernen Buddhismusesoterik hinaus, zu konstatieren, dass akademische Philosophie, theoretischer Marxismus, die Laruellerezeption im englisch- und deutschsprachigen Raum und der gehobene, nicht völlig pegidierte öffentliche Diskurs häufig einem Jahrmarkt der Eitelkeiten gleicht, in dem es vor allem darum geht, Diskurswährungen ex nihilo zu schaffen, die dazu dienen, einen Tauschwert von Eitelkeiten zu etablieren. In diesem Sinne haben wir es, in den Worten von Laruelle, in der Philosophie wie im esoterischen Buddhismus mit „Kapital in der Ordnung des Denkens“ zu tun.

Was des Weiteren eine angemessene Buddhismuskritik angeht, so müsste man Verfahren finden, die es ermöglichen das andere Denken, das sich in ihm möglicherweise entwickelt hat, erkennbar zu machen. Insbesondere im deutschsprachigen Raum sind hier, meines Wissen, keine Ansätze erkennbar. Einer der ersten, der in dieser Hinsicht Versuche gemacht hat, war Herbert Guenther. Seine Arbeiten liegen aber grösstenteils nur in Englisch vor. Obwohl auch Guenther die europäische Entscheidung als stets unkritisierte Syntax seines Denkens mit sich trägt, hat er doch in vielfacher Hinsicht gezeigt, wie sich tibetisches buddhistisches Denken weit über einer esoterischen Buddhismusrezeption in Europa abspielt. Eine weitere englischsprachige Quelle, die zumindest die Löcher, Widersprüche und Fehlleistungen der esoterischen Buddhismusrezeption heraus arbeitet, findet sich auf dem Blog Jayarava’s Raves. Hier wird mit philologischer Akribie an Rekonstruktionen, Verfeinerungen und Erweiterungen des Verständnisses buddhistischer Literatur gearbeitet. Insbesondere Jayaravas Rekonstruktion der Genese des Herzsutra dürfte in Hinsicht auf eine Dezentrierung naiver europäischer buddhistischer Textrezeption beispielhaft sein (passend dosiert dürfte diese Rekonstruktion für den x-buddhistischen Glauben nichts weniger als ein letaler Schock sein). Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich Begriffe über die Zeiten selbst innerhalb der europäischen Kultur wandeln, und um entsprechend ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Arbeit im asiatischen Buddhismus in dieser Hinsicht aussteht, empfiehlt es sich beispielsweise Giorgio Agambens Höchste Armut zu lesen.  Mit Agamben eröffnet sich ein Verfahren das Un zu denken, das von der Dichotomie von A=A und A≠B nicht gedacht werden kann. Hier ist auch insbesondere Agambens Das Offene ein wichtiger Text. Als Material als Grundlage eines entsprechenden Eindringens in buddhistisches Denken bieten sich die, ebenfalls nur englischsprachig zur Verfügung stehenden, Texte von Sue Hamilton an: Identity and Experience (pdf) und Early Buddhism: A new Approach (pdf, komplettes Buch). Hamilton bringt vor allem eine detailgenaue philologische Studie über die so genanten Fünf Skandas, die in ihrem textkritischen Zugang ebenfalls ermöglicht, das Un des Buddhismus schemenhaft sichtbar zu machen. Einen erstaunlichen und vergleichsweise einfach zu lesenden Zugang zu einem anderen Denken, findet man bei dem französischen Sinologen François Jullien. Er kontrastiert beispielsweise in seinem Essay Denkzugänge das Denken des I Ging mit dem, das sich aus der jüdischen, der christlichen und klassischen griechischen Kultur entwickelt hat. Hier wird endlich ein Kontrast zwischen europäischem und chinesischen Denken sichtbar, der nicht mehr unkritisch auf die eigene Entscheidung – im Sinne Laruelles – aufbaut. Jullien vermag dem sorgfältigen Leser deutlich zu machen – dem, der sich die Mühe macht, den von Jullien entfalteten Begriffen zu folgen und nicht den möglicherweise mit den selben Worten operierenden esoterischen Irrtümern –, dass es tatsächlich ein Denken gibt, das einen ganz anderen Weg genommen hat als das Europäische und er erreicht damit eine Kritik dieses europäischen Denkens, die beispielhaft deutlich macht, was Laruelle anstrebt.

8 Antworten zu Laruelle und Buddhismus?

  1. 
    Matthias M. 18.1.16 um 07:06 UTC

    Hi Matthias,

    für mich ein sehr inspirierender Text. Dein Hinweis, dass die eigene Syntax des Denkens den Zugang zu Syntaxen anderer Kulturen verschliessen kann, finde ich extrem wichtig. Auch ich mache mir im Moment viel Gedanken über eine Dezentrierung des ontologischen Narzissmus. Dabei habe ich erfahren, dass es Kulturen gibt, in welchen die Ontologie keine bzw. eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Für die Schaffung eines anderen Denkens im Sinne Laruelles sehe auch ich Probleme im aktuellen Diskurs. Es ist vermutlich nicht einfach, vom hohen akademischen Ross abzusteigen, wenn man es sich mal im Sattel gemütlich gemacht hat. Vielen Dank für deine Lesehinweise. Das Buch ‚Denkzugänge‘ von François Jullien klingt unglaublich spannend. Ich bin zuversichtlich, dass ein anderes Denken im Sinne Laruelles möglich ist. Zumindest werde ich diesbezüglich an mir arbeiten. Ob der akademische Diskurs sich in dieser Hinsicht bewegen kann, wird sich zeigen.

  2. 
    Matthias M. 19.1.16 um 07:56 UTC

    Bezugnehmend auf einige Abschnitte in deinem Artikel habe ich eine Frage dazu, was Laruelle mit seiner Arbeit an der ‚Entscheidung‘ erreichen will. In deinen Worten klingt an, dass es ihm nicht darum geht, die ‚Entscheidung‘ an sich zu eliminieren bzw. als schädlich darzustellen. Vielmehr geht es Laruelle darum, die ‚Entscheidung‘ im europäischen Denken sichtbar zu machen. Somit kritisiert er den Absolutheitsanspruch der ‚europäischen Entscheidung‘ gegenüber anderen ‚Entscheidungen des Denkens‘, beispielsweise jener der chinesischen Kultur, und nicht die ‚Entscheidung an sich‘. Oder geht es ihm womöglich doch um ein Denken ‚ohne Entscheidung‘? Wäre ein solches Denken überhaupt möglich?

  3. 
    Matthias M. 20.1.16 um 07:39 UTC

    In meinem Kommentar #2 gilt natürlich dasselbe wie auf der englischsprachigen Seite thenonbuddhist (http://thenonbuddhist.com/2016/01/09/immanent-beatitude-2/#comment-44071). Natürlich ist es nicht so schlau, dich nach der Intention von Laruelle zu fragen. Vielmehr würde mich natürlich interssieren, wie du über die Arbeit mit der ‚Entscheidung‘ denkst. Ist ein Denken ohne Entscheidung möglich oder geht es vielmehr darum, die Entscheidung in verschiedenen Denkwelten sichtbar zu machen?

  4. 

    Gute Frage. Komme heut Abend darauf zurück…

  5. 

    Natürlich ist es nicht so schlau, dich nach der Intention von Laruelle zu fragen.

    Naja, im letzten Satz oben im Text mache ich genau das, seine Intention darstellen. Jedenfalls das, was ich dafür halte. Ich bin mir darüber aber ehrlich gesagt nicht mehr so sicher. Ich sollte den Satz streichen. Mich interessiert allerdings auch nicht so sehr, was Laruelle meinen könnte, als viel mehr, was Denken noch alles sein könnte. Dabei habe ich inzwischen den leisen Verdacht, dass es sich bei vielen Spekulationen darum, um Varianten des Sokal-Effektes handeln könnte. Ich habe nach vier Jahren in denen ich eine ganze Reihe theoretischer Akademiker kennen lernte – während ich vorher bei meiner Arbeit nur auf solche traf, die sich irgendwie praktisch beweisen mussten – erhebliche Zweifel daran, ob in so manchem Fall wortreicher Darstellung der Inhalt zum Umfang und zum Duktus in einem vernünftigen Verhältnis steht. Daher mein Seitenhieb von wegen, dass wir es häufig, in den Worten von Laruelle, in der Philosophie wie im esoterischen Buddhismus mit “Kapital in der Ordnung des Denkens” zu tun. Die Leute müssen produzieren, weil sie sonst ihren Platz in der Welt verlieren.

    Was den Laruelle der Entscheidung angeht – um den geht es ja hier, und nicht um den späteren der Superposition, den bis jetzt sowieso niemand kennt, der nicht exzellent Französisch spricht – so habe ich den Verdacht, dass seine Entscheidung wesentlich einfacher darstellbar wäre, als er das ausführt. Ich habe den Verdacht, dass Laruelles Entscheidung auf Foucaults Episteme bzw. Historisches Apriori aufbaut und evtl. auch auf Deleuzes Falte, ohne dass dieser Schleier über der Genese dieses Begriffes notwendig wäre. Gerade auch weil dieser Schleier es Laien wie uns, den Leuten die tatsächlich etwas wissen wollen, unnötige Schwierigkeiten bereitet.

    Foucault bezeichnet mit der Episteme einen strukturellen Zusammenhang, der zwischen Begriffen besteht. Das Beispiel aus Die Ordnung der Dinge ist „der Mensch“. Dieser Begriff mit dem wir uns bezeichnen und der uns so naturgegeben vorkommt, erhält um die Wende zum 19. Jhdt. seinen Form indem dieser Mensch im Begriffsgerüst von „Leben, Arbeit, Sprache“ entsteht. Das ist das nun (medizinisch) quantifizierbare Leben, die Arbeit, deren er fähig ist und die auszubeuten ist und die Sprache, die sein Sein überhaupt von anderem Sein unterscheidet (Leben und Arbeit haben auch andere Lebewesen). Diese Begriffe haben einen Zusammenhang und eine Geschichte. Laruelle verallgemeinert das historische Apriori zu einem solchen das unsere ganze Kultur betrifft. Nicht nur die Philosophie im engeren Sinne, wie ich glaube. Er bezeichnet mit der Entscheidung eine grundsätzliche Entwicklung, die vermutlich mit Platon beginnt oder mit ihm zumindest ihren ersten erhaltenen Zeugen hat. Es ist eben die Spaltung von einem in zwei, mit einem dritten als den Ort, der nicht mitgedacht ist, ohne den es aber nicht geht. Du musst deinen Körper nähren. Das ist das Immanente. Aber von irgendwo taucht die Seele auf und das Buchstäbliche wird nun plötzlich auch im Übertragenen nötig. Du musst deine Seele nähren… mit der ganzen Geschichte die daran sich anhängt. Der Leib Christi, der zur Nahrung der Seele wird, einer Seele die wir 2000 Jahre später immer noch in der Psyche der Psychoanalyse wieder finden und die bis in den Linguistischen Turn reicht, in dem die Sprache alles spezielle Sein des Menschen ausmachen soll.

    Die Entscheidung ist also eine spezielle Bezeichnung für ein Charakteristikum unserer Kultur. Wiewohl aber Laruelle auf Foucault aufgebaut haben mag, lässt sich die Episteme bzw. das Historische Apriori, im Gegensatz zur Entscheidung, meiner Meinung nach über unsere Kultur hinaus verallgemeinern (mit der Schwierigkeit allerdings, dass eine Verallgemeinerung ein Begriff ist, der unserer Entscheidung entstammt. Man muss das auch klären, um nicht wieder in einen Selbstwiderspruch bzw. in eine Suffizienz zu geraten). Zumindest muss man die Vermutung in Rechnung stellen, dass anderswo in anderen menschlichen Kulturen, andere Episteme am Werk sind, und dass man deswegen auf grundlegende Verständnisprobleme stossen könnte, die zunächst wegen der Suffizienz der eigene Entscheidung nicht sichtbar werden.

    Lange Rede kurzer Sinn. In dieser Weise betrachtet, ist eine Denken ohne Entscheidung möglich, nicht aber eines ohne Episteme.

    Das wäre ein Verdienst unserer Kultur, diese Unterscheidungen möglich zu machen (der Chauvinismusverdacht dem diese Aussage ausgesetzt seine mag, erledigt sich eben mit diesem Verdienst). Dabei ergeben sich mit solchen Unterscheidungen immense Möglichkeiten. Ob Laruelle diese Möglichkeiten öffnen will, weiss ich nicht. Das ist aber an diesem Punkt schon gar nicht mehr von Interesse. Das Denken, und sein Denken, hat uns an diesen Punkt gebracht die Möglichkeit zu sehen, eine Tiefenstruktur unseres Denkens sichtbar zu machen. Das ist ein echte, wirksame Kritik, die, wie immer, das Positive impliziert. Es geht an diesem Punkt um diese Implikationen und nicht mehr um Laruelle.

  6. 
    Matthias M. 21.1.16 um 16:08 UTC

    #5 Re

    Hi Matthias,

    deine Unterscheidung zwischen Episteme und Entscheidung finde ich sehr hilfreich.

    Du beschreibst die Entwicklung der Entscheidung wie folgt: „Die Spaltung von einem in zwei, mit einem dritten als den Ort, der nicht mitgedacht ist, ohne den es aber nicht geht.“

    Am Beispiel des Körpers und der Seele, was ist eins, was ist zwei und was ist das dritte als Ort? Und was wäre dann ein Denken ohne diese Entscheidung, wie es eventuell in der chinesischen Kultur gefunden werden kann?

    Mit der Beantwortung dieser Fragen werde ich mir versuchen zu erarbeiten, wie ich die Suffizienz meiner Entscheidung als in dieser Kultur geprägter Mensch entdecken kann. Nur so werde ich Zugang zu weiteren kulturellen Epistemen finden können.

  7. 

    Hab ich vergessen die Frage, komme darauf zurück.

  8. 

    Matthias, um auf deine Frage zurückzukommen. Das was wir für den Körper und die Seele halten, ist schon die Spaltung, die Zwei. Und der Versuch auf etwas zurück zu gehen, was davor gelegen haben könnte oder noch läge, ist immer noch in dieser Spaltung befangen. Das Eine bleibt ein Phantasma, das wir in unserem Denken nicht los werden. Nicht so leicht jedenfalls, denke ich. Beide Begriffe, Körper und Seele (sowie all ihre Widergänger bis heute, das Psychische etwa oder der Scann aus dem Tomographen) folgen schon längst auf eine Entscheidung. Die Entscheidung, die Immanenz auf diese oder jene Art greifbar zu machen. Das was offensichtlich da ist, zu begreifen – wobei die Immanenz sich doch nur wieder verflüchtigt. Der Körper z.B. könnte nicht immanenter sein. Wer könnte an ihm zweifeln? Schliesslich ist er vermessbar, in Komponenten zerlegbar, stammesgeschichtlich, biologisch und chemisch analysierbar, in seinen Interaktionen mit anderen Körpern sichtbar, man kann seine Arbeitskraft ausbeuten usw. usf. Der Körper ist da. Selbstverständlich, meint man. Stimmt aber nicht, er ist zwei: nämlich empirisches Datum und transzendentes Faktum. Letzteres sind z.B. die medizinischen Kenntnisse über ihn, die ihn als eben jenes medizinische Objekt auftauchen lassen. Oder es sind ganz bestimmte ökonomische Verhältnisse, die ihn als Arbeitskraft auftauchen lassen. Das ist immer schon eine Zwei, die an einem Dritten hängt, das aber nicht mitgedacht und stillschweigend vorausgesetzt wird. Dieses Dritte muss das offensichtlich DaSeiende, erscheinend als Ökonomie und Arbeitskraft z.B., so verschweissen oder zusammen kleben, dass diese Entität uns auch tatsächlich als sinnvoll erscheint. Als so sinnvoll, dass alles andere als UnSinn erscheint (was z.B. eine Politik, die von einer Arbeitskraft absähe, so schwierig macht – sie ist schlicht unter den gegebenen Umständen nicht denkbar und damit ist auch eine nicht-kapitalistische Politik undenkbar… denkt man (weshalb man entweder auf einen utopischen Kommunismus verfällt, der irgendwann, wie der Geist aus der Flasche oder der wiederkünftige Heiland, einfach so ex nihil auftaucht; oder auf die diversen Formen der Sozialdemokratie, die den Kapitalismus reformieren wollen. (Aber das führt jetzt wohl etwas zu weit))). Die Drei, die Verschweissung der Zwei zu einem einzigen Phantom, ist, meiner Ansicht nach, schlicht und einfach das Foucault’sche Historische Apriori. Dieses ist nicht ohne weiteres denkbar, da es die Struktur des Denkens selber ist. Ähnlich der Transparenz der kognitiven Funktionen, die das-Denken-an-sich selbst ermöglichen und die nur aus einer anderen Perspektive als der des Selber-denkens so opak werden, dass sie sichtbar und analysierbar werden. Was das Historische Apriori angeht, so wird es beispielsweise dann sichtbar, wenn man es schafft, es mit einem anderen in Konflikt zu bringen – was allerdings voraussetzt, dass man auf irgendeine Weise ein anderes Historisches Apriori sichtbar macht. Dem Sinologen François Jullien scheint das zu gelingen, wenn er europäisches Denken mit klassischen Chinesischen Denken in Kontakt bringt. Aber Vorsicht: Da wir von unserem Denken ausgehen, schwingt hier sofort wieder die Drei mit, ein überhistorisches Apriori diesmal, das plötzlich europäisches und klassisches chinesisches Denken zusammen führt. (Dies aber nur am Rande. Diese Angelegenheit zu lesen, die Jullien da ausbreitet, ist keineswegs so einfach zu verstehen, wie ich anfänglich dachte.) Zunächst ist der wichtige Schritt aber der, den Körper oder die Seele, das Psychische, das Kognitive, immer als eine Zwei zu sehen. Als eine Paarung die aus empirischem Datum besteht und einem transzendenten Apriori. Die transzendente Biochemie des Körpers, die diesen Körper als biochemische Maschine empirisch erfahrbar macht – zusammengeklebt von einem ganz bestimmten Historischen Apriori, einem Denken, dass der Mensch genau so ist und sonst nichts.