Was Nun?

M. Steingass —  27.11.11 — 3 Kommentare

„Lasset alle Hoffnung fahren und tretet ein!“ – Dante Alighieri

Worum geht es hier? Geht es um Erleuchtung weil es um Buddhismus geht? Geht es einfach nur um eine Kritik aus Spaß an der Zerstörung?  Nein! Weder geht es um Erleuchtung, denn darum kann es nicht gehen, weil niemand weiss, was dieser Begriff bedeutet. Wenn man etwas sagen kann über dieses Wort, dann nur, daß es eines dieser toten, erkalteten Worte ist, die nichts mitteilen und lediglich dazu dienen eine unangenehme Leere zu kaschieren. Noch geht es um Kritik aus Spass an der Zerstörung. Kritik ist ein positiver Begriff. Kritisches Denken bewegt sich am Rand, im Grenzgebiet, am Limit und ist so zwar eine Zumutung gegenüber den ordentlich kartographierten Territorien in denen Ruhe und Ordnung herrscht aber es ist absolut lebensnotwendig für das Tier das seinen Tod kennt. Da es aus dem physischen Universum herausgefallen ist, in dem es reine Biochemie war, muß es sich zwangsläufig mit Vermutungen darüber auseinandersetzen, worum zum Teufel es hier eigentlich geht. Die ältesten Mutmaßungen darüber sind nicht automatisch die besten. Gerade von dieser Annahme aber geht der Buddhismus im Westen größtenteils aus – den Ich dabei provisorisch als denjenigen definiere, der sich nach dem 2. Weltkrieg etwa von den „Dharma Bums“ ausgehend entwickelte. Diese Mutmaßungen klammern nicht nur modernes Wissen über das Dasein aus, sie setzen sich auch noch grundsätzlich über dieses. Schon allein diese Setzung aber, warum altes Wissen besser als neues sein sollte, muß begründet werden. Die Kritik stellt also u.a. die Frage, warum das so sein sollte? Die Kritik ist dabei zerstörerisch gegenüber der Tradition, wenn diese lediglich einen Status quo erhalten will und in ihrer Verteidigung immer nur auf ein Dogma verweist. Sie ist positiv gegenüber der Tradition, wenn sie diese wieder in Bewegung versetzt und nach dem Ursprung fragt, von dem sie kommt.

Wie kommt man zu einer solchen kritischen Haltung? Meine Entwicklung gegenüber dem Buddhismus lässt sich grob in vier Phasen einteilen die allerdings nicht unbedingt eine Chronologie sind. Ich gebe hier nur ein paar Stichworte. 1) Meditation. 2) Tradition. Konfrontiert mit den Rede- und Denkverboten des Buddhismus habe ich begonnen mich mit den kulturellen Artefakten zu befassen, die die eigentlichen Konzeptionen der Meditation überwuchern. Das Ergebnis ist Ernüchterung. 3) Geschichte. Der Vergleich mit der zeitgenössischen Human- und Naturwissenschaft zeigt, daß sich der Buddhismus weitgehend weigert, modernes Wissen zur Kenntnis zu nehmen. Besonders Geschichtlichkeit ist ihm nicht bewusst, obwohl gerade diese zu seinen Kernerkenntnissen gehören müsste. Der Buddhismus benötigt daher eine Generalüberholung, eine tief gehende Durchleuchtung, eine Zerlegung und Überprüfung seiner Komponenten. Ob danach von ihm etwas übrig bleibt, scheint fraglich. Die Methode der Prüfung war bisher unklar. 4) Destruktion. Der Spekulative Non-Buddhismus (Link unten) ist die Methode die diese Destruktion detailliert beschreibt. Er motiviert dazu, hier an diesem Ort, in der deutschen Sprache, einen Beitrag zur Destruktion der westlichen buddhistischen Tradition zu leisten.

Eine Warnung.

Sie betrifft den letzten Punkt. Destruktion bedeutet das Einreissen einer Tradition die das verdeckt, verheimlicht und vergisst was sie angeblich überliefert. Diese Operation kann den Verlust der zauberhaften Zuflucht bedeuten, wenn der Anker des Buddhisten nicht mehr hält. Wenn er im vermeintlich sicheren Urgrund des alles (be)deutenden Dharma keinen Halt mehr findet. Es kann sein, daß sich Widersprüche auftun, die schließlich in eine plötzliche Entladung dissonanter Spannungen münden, so daß die buddhistische Aura devitalisiert wird. Es könnte auch ein schleichender Prozess sein, der den Buddhisten lautlos entfremdet von dem was ihm Heimat geben sollte. Egal auf welche Weise, man sollte auf die Dissonanzen hören, da gerade an den Orten der Reibung die nötige Energie für einen Sprung entsteht – für eine weitere Metamorphose des Gewebes der Wirklichkeit.

Plötzlich steht der Kaiser nackt da

Und das ist auch die eigentliche Aufgabe des Buddhismus, zu zeigen daß der Kaiser nackt ist. Aber er wird dem nicht gerecht. Im Gegenteil, er macht sich sogar zum Mittäter beim schändlichen Raubzug eines bis ins wahnhafte gesteigerten Konsumzwanges, dessen vorerst letzte Resource die Aufmerksamkeit des Subjektes selbst ist. So gesehen verrät der Buddhismus nicht nur das, was man vielleicht eine seiner ureigenen Aufgaben nennen könnte, nämlich die Selbst-Bewußtheit des Homo Sapiens zu untersuchen, ihre Grenzen und Möglichkeiten zu verstehen und aus diesem Verständnis heraus erst zu leben, sondern er kehrt sich sogar gegen diese Selbst-Bewußtheit indem er sich selbst zum Konsumobjekt und den Menschen zum Buddhismuskonsumenten macht.

Das gilt es zu sagen: Kein Blatt vor den Mund nehmen. Nicht schweigen.

Kein Blatt vor den Mund nehmen, um die geheimen Ausschlüsse, die subtilen Strategien der Diskurskontrolle, die Denkverbote, die buddhistische Schere im  Kopf zeigen.

Kein Blatt vor den Mund nehmen, das ist vielleicht sogar das wichtigste Thema. In buddhistischen Zirkeln und Foren herrscht vielfach die buddhistische Diskurskontrolle. Kritik ist nicht erwünscht. Kritik ist immer Gefahr. Das gut begründeten Urteil als Ergebnis einer sorgfältigen Untersuchung darf nur im Rahmen einer transzendenten überweltlichen Wahrheit gefällt werden. Die Geste der Offenheit und Toleranz der man zunächst begegnet, verwandelt sich schnell in den Versuch das Gespräch unter Kontrolle zu halten, falls sich Themen eröffnen die leere transzendente Überzeugungen hinterfragen. Ein Beispiel ist die versteckte kausale Essenz, die jedem buddhistischen Lehrer unterstellt wird. Es wird immer vorausgesetzt, daß der heilige Lehrer einen besonderen ihn unterscheidenden inneren Wert hat. Der Dalai Lama hat eine geheime, innere Eigenschaft, die ihn von uns grundlegend unterscheidet. Er verhält sich so wie er sich verhält, nicht auf Grund eines sozialen Status quo, sondern weil er erleuchtet ist. Egal was der Hohepriester unternimmt, der Buddhist nimmt immer an, daß er dabei die Errettung aller fühlenden Wesen im Sinn hat – selbst wenn er zum Protagonisten des Trivialsten wird. Wenn der Dalai Lama in einer TV-Kochschau ein Gericht namens Buddhas Entzücken verspeist, dann ist auch das eine Handlung erleuchteter Intention und nicht die Verwirrung eines gewöhnlichen Mönches der sich im Leuchten der Scheinwerfer von einem windigen Drücker vorführen lässt.

Das Gesprächsverbot, das der brave Buddhist einzuhalten hat, ist in diesem Falle z.B. die Verhinderung der Frage, ob man die Kausalität nicht einfach umkehren kann? Ist der Dalai Lama vielleicht gar nicht erleuchtet, wenn er an einer Kochshow teilnimmt? Muß man ihn vielleicht beim Wort nehmen und ihn tatsächlich nur als einfachen Mönch sehen? Könnte man nicht einfach bei seiner Beurteilung von seinem sichtbaren Verhalten ausgehen, anstatt von einer vermuteten Intention? Auf was baut sein Nimbus tatsächlich, auf welche immanente Realität?

Essenz?! Welche Essenz

Der Buddhismus unterscheidet sich besonders in Einem von anderen Befreiungsreligionen, er gesteht den Phänomenen von vorne herein kein Sein an sich zu. Es gibt keine verborgene innere kausale Essenz. Was also bleibt von einem Dalai Lama, wenn man ihn der Attribute entkleidet die seine Erleuchtung repräsentieren, wenn man den Pomp, die Liturgie, die Paraphernalia, die Akolythen, das Marketing und den ganzen sonstigen Jahrmarktsrummel subtrahiert?

Der Buddhismus selbst kann diese Subtraktion nicht vornehmen. Er selbst versteht sich nicht auf diese Rechenoperation – und darf es nicht, da er sonst als Institution implodieren würde.

Das in aller Radikalität zu sagen gilt es. Das denjenigen entgegenzuhalten die ihre Geschäfte machen mit der Befreiung, denen die so willfährig mit dem Buddhaprügel einer geliehenen Sprache hinter einem Wall aus Tradition in Stellung gehen und sich respektlos gegenüber jeglicher lebendigen Kreativität zeigen.

Das offene Gespräch ist der Raum, der diejenigen willkommen heisst, die sich nach einer Phase der Begeisterung mehr und mehr mit den Fragen konfrontiert sehen, die der Buddhismus offensichtlich nicht beantworten will oder kann. Bei aller Schärfe und Polemik gegen die Machthaber des Dharma gibt es einen anderen Raum, in dem im Schutz gegenseitigen Respektes gesprochen werden soll. Es muß allerdings hier eine Übereinkunft geschaffen werden, wie man miteinander reden will um diese Fragen zu klären oder zumindest in den Raum zu stellen, so daß sie allein aus den Aporien heraus die sie darstellen mögen, wirken können. Von diesen Aporien, den Widersprüchen, gibt es im Buddhismus genug. Für eine Versammlung wäre es genug sich zunächst dazu zu verabreden, nur einmal eine dieser Merkwürdigkeiten zu betrachten und wirken zu lassen. Es wäre schon Herausforderung genug dabei einmal miteinander zu reden, ohne sich sofort immer mit einem Urteil ins Wort zu fallen. Das kritische Urteil soll ja nach eingehender Untersuchung gefällt werden, nicht im Affekt. Der Buddhismus lehrt dieses Gespräch nicht.

Kein Wort

Das Wort des Buddha selbst ist ein Beispiel für eine dieser Paradoxien: Wenn der Buddhismus kein Sein an sich zulässt, wieso gibt es dann ein definitives Wort des Buddha (buddhavacana) das von den Dalailamas gepredigt wird? Die Definition eines Kanon mit seinen kontingenten Ein- und Ausschlüssen, ist eine Form der Kontrolle über den Diskurs. Diese Kontrolle mag in ihrer Entstehung sinnvolle soziale, politische und ökonomische Gründe gehabt haben, diese sinnreiche Wertschätzung ist allerdings nicht atemporal. Es gibt keine zeitlose Wahrheit in der Geschichtlichkeit im Sinnes eines exakten Abbildes, wenn man anerkennt, daß das Wort und seine Bedeutung immer Prozess, d.h. Bewegung, sind. Das Wort des Buddha könnte höchstens diese Bewegung selbst sein, die das offene Gespräch trägt. Das allerdings nähert sich dann einer Immanenz der Interaktion, des begeisterten Austausches, des freien Flusses von Ideen, des Tatsächlichen das keinerlei Spekulation mehr darüber benötigt, was jemand dann und wann mal  gesprochen haben könnte. So gesehen muß man dem Wort des Buddha gegenüber desinteressiert sein, wenn man das offene Gespräch will.

Kein Blatt vor den Mund nehmen heisst also nicht, in x-beliebiger Form zu sprechen. Es ist kein Freibrief für jede Form der Kommunikation. Diejenigen die ein offenes Gespräch führen wollen, müßen sich vor allem darüber klar werden, was gewalttätige Kommunikation ist und wie sie sich von einer Selbstverteidigung gegen die Schergen der Dogmen unterscheidet – denn diese ist nötig, jene ausgeschlossen. Der Kanon auf den jemand als Leitfaden beharrt, aus dem er sich Bedeutung zuflüstern lässt, ist der Versuch der Machtausübung die das offene Gespräch verunmöglicht. Will man das offene Gespräch, muß man der buddhistischen Diskurskontrolle die Tür weisen.

Keine Lehrer

Die Lehrer müßen leider draussen bleiben. Wenn sie doch eintreten, müßen sie sich der Subtraktion der versteckten kausalen Essenz unterziehen, die sich auf das heilige Wort von damals als Gründungsmythos bezieht. Ob sie das können, ist ein Kriterium. Sie müssten die Paraphernalia der Macht ablegen. Gleichzeitig ist es auch ein Kriterium für die Versammlung, ob sie es schafft ohne die gedankenlos tradierten Techniken der Führung eine eigene Struktur entstehen zu lassen, die dem Wissen und Wollen der Einzelnen Raum gibt und ob diese Räume sich verbinden zu einem kohärenten System, das aus der Reibung und den Dissonanzen die Energie bezieht, aus der sich neue Ideen entwickeln die den Horizont der Tradition überschreiten.

Die wichtigste Funktion in dieser Versammlung ist vielleicht zunächst die des Moderators. Seine Funktion muß sich an der Überschreitung des Horizontes ausrichten, d.h. es ist eine Funktion die gerade das Gegenteil der buddhistischen Diskurskontrolle ist.

Die leere Autorität des Lehrers ist im zeitgenössischen Konsumbuddhismus diejenige Instanz, aus der das Subjekt seine ichstiftende Macht bezieht. Er ist eine Instanz von der vorausgesetzt wird, daß sie über die immense Machtfülle verfügt die das Subjekt endlich wahrhaftig und ewig erlösen kann. Der Kern dieser Instanz ist die versteckte kausale Essenz. Das unerlöste Subjekt befindet sich immer in einem Mangelzustand, der ebenso wie diese Essenz des Lehrers einfach vorausgesetzt wird. Diese Voraussetzungen sind transzendente Machtmechanismen des Buddhismus, die ihn als Institution mit Energie versorgen.

Aber auch hier wieder entsteht ein Widerspruch im buddhistischen Lehrgebäude. Ein institutionalisierter Buddhismus verweist seit je auf einen Stufenweg, der Schritt für Schritt zur Erkenntnis führen soll. Im Gegensatz dazu steht die Möglichkeit plötzlicher Erkenntnis. Obwohl beides in der Bildung zusammengehört, da das Gelernte immer im Geistesblitz neu geordnet und verstanden wird, muß dem institutionalisierten Buddhismus die plötzliche Erkenntnis suspekt sein, da er den einzelnen Menschen kreativ und damit potentiell gefährlich macht. Buddhistische Diskurskontrolle zielt daher immer ausschließlich auf einen Stufenweg um den Prozess des Eleven unter Kontrolle halten zu können. Plötzliche Einsicht aber geschieht. Nicht in dem Sinne, daß der Analphabet plötzlich die Odyssee lesen könnte, sondern in dem, den auch das Wort vom Licht, das einem aufgeht, kennt.

Die Entscheidung

Es ist die grundsätzliche Erkenntnisfähigkeit die vorausgesetzt werden muß und nicht der Mangel.

Möglicherweise verweist die Worthülse „Buddhanatur“ und ihre bekannten Vorläufer bis zurück in den Pali-Kanon (pabhassara citta) auf diese Qualität. Den Widerspruch den der institutionalisierte Buddhismus um jeden Preis verdecken muß, ist der von der unmittelbaren Erkenntnisfähigkeit des Homo Sapiens im Gegensatz zu einer versprochenen Erleuchtung irgendwann. Die Versammlung derjenigen, die sich dem offenen Gespräch widmen, ist diejenige die aus ihren Differenzen und Unsicherheiten heraus ihre grundsätzliche Erkenntnisfähigkeit fördern. So könnte man auch die Worthülse „Sangha“ radikalisieren. Das wäre dann die Versammlung derjenigen, die heute nicht mehr auf einen Zug warten, der vor 2500 Jahren abgefahren ist.

Das Subjekt des Konsumbudhismus das dieser Versammlung nicht angehören kann oder will, oder sie sogar aktiv bekämpft, bezieht seine Energie aus dem Akt der Unterwerfung unter die leere Autorität mit ihrer inexistenten versteckten kausalen Essenz, die lediglich aus einer per Gesetz und Ermächtigung haltbar gemachten Tradition heraus besteht. Um die heilige Wahrheit der Tradition dieser Autorität wirklich zu verstehen, muß das Subjekt hunderttausende magischer Übungen machen. Dabei wird es, je tiefer es eindringt in das Arcanum der leeren Autorität, immer mehr gebunden an die Tradition. Die ganze Übung dauert bis die leere Macht der Tradition in die absolute permanente Autosuggestion übergeht die von keinerlei Freiraum mehr umgeben ist und die dann das Dasein allein in allen Einzelheiten definiert. Die Initiation des buddhistischen Subjekts ist dann perfekt und es ist zu einem weiteren Glied in der ewigen Kette des Glaubens an das Original der Tradition geworden. Der Dharma definiert nun die Realität als zerrissene, fragmentierte, in leblose Einzelteile zerstückelte samsarische Welt. Der Dharma definiert nun aber auch den Weg zum Heil in ein geheiligtes, heiles Ganzes. D.h. das Subjekt, der Mensch, der Homo Sapiens ist nun eingeschlossen in ein System, das seine Realität als Krankheit beschreibt und das ihm gleichzeitig die Arznei verkauft.

Dieses Subjekt hat eine Entscheidung gefällt.

Aber das Wort des Buddha existiert nicht das dieser Entscheidung als Basis dient. Es hat es nie gegeben.  Der Traum von einem originalen Wort des Buddha, ist der eigentliche Schrecken. Wer vom Wort des Buddha träumt, träumt den schlimmsten aller Träume und verschließt sich jeder Erkenntnis. Wer vom Wort des Buddha erzählt verbreitet Kummer und Sorge unter den Menschen. Er füttert sie mit einer süßen Lüge, die den Erzähler wie die Zuhörer hinwegtäuschen soll über  die Ratlosigkeit eines Bewußtseins in einem Universum das ihm gleichgültig gegenübersteht. Der Mensch der diese Geschichten erzählt, täuscht sich und alle die ihm zuhören darüber, daß er das Tier ist, das den Tod sieht. Er zuckt zurück und spritzt sich lieber das klebrige Opium des Vergessens.

Die Baumstruktur, die rückwärts gewandt in immer weniger Verästelungen übergeht bis nur noch die eine Wurzel übrig ist, das wahre Wort, existiert nicht. Das Wissen ist zu jedem Zeitpunkt ein Netz, ein Gewebe, eine vielfache sich bewegende Struktur, ein System aus Verweisen, ein Gefaser in dem zu jedem Zeitpunkt der um seinen Tod wissende Homo Sapiens sich in einer Konstellation befindet, die in der Tradition und in der Geschichtlichkeit über eine totale Relativierung von allem und jedem hinausgeht um jenseits eines postmodernen Missverständnisses neue Strukturen zu entwickeln, anstatt zurück zu weichen und sich mit dem Elixier der absoluten Gewissheit in andauerndes Vergessen flüchten.

Der Unbuddhist ist die Destruktion, die Erledigung des Allwissenden zugunsten der Ursprünglichkeit.

Die Erledigung der Tradition um Zugang zu dem zu bekommen, was sie nur scheinbar übergibt, tatsächlich aber erstarren und damit verschwinden lässt. Es geht darum die Herkunft dessen zu sehen, was sich im Buddhismus nur noch als erstarrte Maske zeigt – einer Maske die in einer eigentümlich formelhaften und erstarrten Rede andauernd auf etwas verweist, das nie auftaucht. Dieses Abwesende, das der Buddhismus andauernd vergeblich zu beschwören versucht, ist der Ursprung. Ein Ursprung den er zwar ahnt aber niemals sehen kann, weil ihm die eigene Tradition den Blick verstellt.

Möglicherweise ist dieser Ursprung nichts weiter als die Bewußtheit an sich. Vielleicht ist es nichts weiter als die Aufmerksamkeit selbst, die sich irrlichternd in einem Feld von Reizen bewegt, von dem sie sich aber ablösen kann um affektfrei und nicht-diskursiv, Affekt und Diskurs als Schöpfungsakte zu betrachten, die allesamt – wie sie selbst! – dem Untergang geweiht sind.

Die Destruktion fragt nach diesem Ursprung ohne sich sicher zu sein, ob sich dabei nicht vielleicht das Ursprüngliche als belanglos erweist. Sie fragt auch nach der Geschichtlichkeit und der jeweiligen Konstellation in der sich die Frage ereignet. Die Konstellation beispielsweise betrifft das Wissen unserer Zeit, das gleichberechtigt neben das angeblich superiore Wissen der Stadthalter des Dharma gesetzt werden muß, um zu untersuchen was wir sind und wie.

Das Werkzeug für diese Arbeit, oder zumindest einen Teil davon, liefert das Begriffsinstrumentarium das Glenn Wallis, seinerseits in Bezugnahme auf François Laruelle, derzeit entwickelt. Sein Speculative Non-Buddhism hat mich dazu ermutigt mit diesem Blog den Schritt zu tun, die Auseinandersetzung mit den Hohlheiten der Erleuchtung zu suchen. Wallis hat gerade einen Text vorgelegt in dem er den Spekulativen Non-Buddhismus vorstellt (Link unten).

Es wird in nächster Zeit hier vermutlich darum gehen diesen Text vorzustellen und, zumindest in Teilen, zu übersetzten. Begriffe wie „bezaubernde Zuflucht“, „Anker“,  „Entladung dissonanter Spannung“, „Devitalisierung buddhistischer Aura“, „versteckte kausale Essenz“ beziehen sich u.a. auf die Arbeit von Wallis, bzw. verweisen weiter auf Laruelle, „die Entscheidung“, und Heideggers „Destruktion“. – Neben dieser Arbeit habe ich verschiedene andere Projekte in der Pipeline. Vielleicht sollte ich „Der Dalai Lama als Küchenscheff“ (siehe „The Dalai Lama MasterChef“ weiter unten im Blog) ins Deutsche übersetzen, damit auch das hiesige Publikum sich mehr Gedanken darüber machen kann, welche merkwürdigen Wege ein einfacher Mensch heutzutage auf sich nimmt, der vom Scheinwerferlicht der rund um die Uhr missionierenden Truman-Show erleuchtet wird. – Ein weiterer englischer Text ist fast fertig, der sich mit Erkenntnissen der Historiker befasst, in wie weit man das Wort des Buddha tatsächlich auf einen Original zurück führen kann. In aller Kürze kann man hierzu sagen, daß sich die Hypothese von einem zu entdeckenden oder zu rekonstruierenden originalen Palitext nicht mehr halten lässt. – Ein weiterer Text könnte sich der Buddhistischen Diskurskontrolle widmen. Meine Erfahrungen der letzten zwei, drei  Monate haben gezeigt, daß es ein paar generelle Taktiken des buddhistischen Fußvolkes gibt, sich und ihren Oberen unangenehme Fragen vom Leib zu halten. Es hilft vielleicht diese Taktiken schnell zu identifizieren und dann links liegen zu lassen um keine Zeit zu verschwenden. – Ein wichtiger Text wird das Motto diese Blogs betreffen: Denken, nicht meditiern! Bei aller Wichtigkeit wird das wahrscheinlich aber eine große Schwierigkeit. Das Reden über Meditation oder Nicht-Meditation erweist sich als beinahe völlig verstellt von einem zeitgenössischen esoterischen Bla-Bla, von gar wunderlichen Vorstellungen und heftigen Wunschprojektionen. Meine Position hierzu bezieht sich stark auf die tibetische Tradition des Dzogchen. Ich würde mich hier, in Anlehnung an eine Heuristik die der Tibetologe David Germano einmal anwandte, auf der Seite eines natürlichen Dzogchen sehen, der, im Gegensatz zu einem Dzogchen des Totenkultes, keine Überlebenschance des Individuums über den physischen Tot hinaus sieht und der fragt wozu ein Überleben, eine Existenz nach dem Tod des Körpers, überhaupt nötig sein sollte? Falls es die Unterteilung Germanos tatsächlich so in dieser Einfachheit nicht gab, er spricht von „pristine“ und „funerary“ Dzogchen, so wäre es vielleicht heute um so angebrachter sie einzuführen. Allerdings wird man sehen müßen, was von solchen Ideen übrig bleibt, wenn sie einmal durch die Mühle des Non-Buddhismus gedreht wurden. – Last, not least ist da die Idee des offenen Gesprächs. Es ist die Frage, ob dieses Gespräch nicht nur eine Möglichkeit, sondern sogar eine Notwendigkeit ist. Der gewöhnliche Buddhismus gibt auf viele Fragen keine Antwort. Viele Menschen binden sich z.B. an Lehrer, die sie nur höchst selten sehen und noch seltener  sprechen können. Wie bespricht man also Fragen der Praxis? Es gibt eine Unzufriedenheit mit diesem Zustand. Warum also sollte man sich nicht aufmachen, diese Fragen selbst zu klären? Diejenigen, die das offene Gespräch wollen, könnten es tatsächlich selbst in die Tat umsetzten.

Weiterführende Literatur:

Glenn Wallis, Nascent Speculative Non-Buddhism

Hans Christian Andersen, Das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern

3 Antworten zu Was Nun?

  1. 

    Warum eigentlich meditiert Glen Wallis, wenn ich richtig verstanden habe, in einer Gruppe, leitet sie womoeglich sogar in irgendeiner Weise?

    Das Problem ist, dass Wallis m.E. seine akademische Karriere und damit auch sein Einkommen auf der Basis seines Ansatzes und mit seinen Blogs bereichern koennte. Er laesst ja auch andere ganz schoen was fuer diese Seiten tun. Er kommt jedoch auch nicht vom Zen, und in dieser Richtung herrscht die gleiche Betriebsblindheit wie hier, so mein Eindruck.

  2. 

    Die Antwort auf die Unzufriedenheit mit der Ferne von Lehrern besteht darin, zu denken, wie dieser Blog sagt. Dann kommt man drauf und findet alle moeglichen Fragen zur Meditation in Schriftform und auch im Internet beantwortet und kann sich wieder der Beobachtung der Gedanken zuwenden, das naemlich heisst Meditieren, nachsinnen, und darum gibt es den Widerspruch gar nicht, den der blog zu seiner Grundlage macht.

Trackbacks und Pingbacks:

  1. Buddhismuskritik und Erleuchtung | imyohorengekyo - Dezember 13, 2011

    […] hinter den buddhistischen Doktrinen und Lehrinhalten steckt. Der Unbuddhist möchte zum Beispiel den Buddhismus dekonstruieren und dem Kaiser die Kleider ausziehen. Der Autor des Blogs “Säkularer Buddhismus” hinterfragt […]

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