Das Beispiel

M. Steingass —  9.2.13 — 10 Kommentare

„Die globalen Katastrophen spielen sich momentan in weit entfernten Regionen ab. […] Solange wir in Ruhe unserer spirituellen Praxis nachkommen können und in Ruhe unser persönliches Erwachen anstreben können, gibt es für viele Menschen keinen triftigen Grund, sich zu engagieren.“

Das Zitat stammt aus einem  Artikel von Joachim Wetzky auf den Aiko (hier) verwiesen hat. Ich denke in dem Text werden einige Problem richtig benannt, das grundsätzlich Problem bleibt aber das selbe wie in Wetzkys Leitartikel in Buddhismus aktuell 2013/1 (vgl. Die Glosse #01): Die Lösung heisst immer ‚Dharma‘.

Es stimmt, es gibt ein Problematik der sich die Menschheit gegenüber sieht und es gibt einen Buddhismus der hauptsächlich als Schlaftablette angewandt wird – so würde ich das obige Zitat etwas umformulieren.

Allerdings wird es eine „globale Katastrophe“ nur aus menschlicher Sicht geben, nicht unbedingt aus der des Lebens auf diesem Planeten. Das hat schon mehr ausgehalten. Von kontinentgroßen Magmaaustritten über gigantische Meteoriteneinschläge bis zur totalen Vereisung gab es schon alles. Man könnte sagen, die Menschheit hat ein urbiologisches Problem: sie überstrapaziert ihr Biotop – aber das wird sich von alleine regeln. Nur wir ‚Buddhisten‘, mit unseren abgehobenen Ideen, werden dann nicht mehr da sein das zu erleben.

Diese Problematik alleine wäre aber genug, tatsächlich dem Ruf nach einen gemeinsamen Vorgehen zu folgen. Ansonsten aber muss man einiges korrigieren was Wetzky scheibt. Das galt auch schon letzten Sommer, als dieser Artikel erschien.

„In Ländern wie den USA oder Spanien jedoch sieht es schon ganz anders aus. Dort wütet der globale Sturm.“

Dieser Sturm ist abgesagt. Einerseits sieht man in Tunesien und Ägypten zur Zeit, wie schwierig sich Revolutionen gestalten und, vor allem, daß es Revolutionen per Definition an sich haben, unvorhersehbare Prozess zu erzeugen. Letzteres sollte man sich vor Augen halten wenn man nach einem Aufstand ruft. Nicht weniger kann es nämlich sein. „Auf die Straße zu gehen und den kulturellen Wandel zu verlangen“, wie Joachim Wetzky es formuliert, reicht nicht. Das ökonomische System in dem wir leben lässt sich nicht partiell wandeln. Und bitten lässt es sich schon gar nicht. Nicht durch Karmakonsum, Fairtrade, Die Grünen, Elektroautos, veganes Leben, Mantrabeten oder was auch immer – es ist grundfalsch, dieses Leben.

Andererseits zeigt sich bei der Occupy-Bewegung, daß sie kaum weiter kommt. Sie hat keine kritische Masse erreicht. Zum Teil liegt das, wie Joachim richtig bemerkt, daran daß man in Deutschland noch genug zu essen hat. Zum anderen aber, und das ist wichtiger, an einem demokratischen System, das unter Repräsentation versteht, daß das Volk sich vetreten lässt und dann meint es reiche, die eine oder andere Talkshow zu gucken. Die in Berlin werden es schon richten, meint man. Stimmt auch irgendwie. Zu Grunde richten werden sie es – egal ob grün, schwarz, rot, gelb oder piratenballaballa.

An dieser Stelle müsste erstmal eine grundlegende politische und ökonomische Analyse gemacht werden. Wie z.B. die Demokratie vor die Hunde geht und wie der Zwang Mehrwert zu erzeugen zu einem inzwischen planetaren Kahlfraß führt. Über beides gibt es im Buddhismus aktuell oder im iBbuddhismus kein Bewusstsein. Das ist das Problem.

Die fehlende Analyse zeigt sich, indem im Artikel lediglich von einem pauschalen „erwachen“ die Rede ist (Wetzky zeigt sich als erwacht indem er vom Erwachen redet, wie jeder Fachmann kann man über etwas nur reden, wenn man davon was versteht). Hier setzt die konkrete Kritik am Buddhismus aktuell und am iBuddhimus ein. Es gibt kein Bewusstsein von den konkreten politischen, sozialen und ökonomischen Mechanismen, die unser Sein bestimmen. Es gibt nur allgemeine (sehr bunt-integrale) Theorien.

Wetzky fragt zwar nach Vernetzung (d.h. Organisation) und sozialer Aktion. Richtig! Aber das ist nichts buddhismusspezifisches und es fehlt vor allem der erste Schritt: die Analyse der Situation.

X-Buddhisten glauben diesen Schritt schon getan zu haben, indem sie sich zum ‚Dharma‘ bekennen, um folglich dann von einem ominösen „Erwachen“ zu reden, von „kollektiven Visionen“ und dergleichen. Das Ganze ruht aber immer auf dem Fundament eines transzendentalen Dharma, eines irgendwie der Welt übergeordneten metaphysischen Gesetzes. Dieser Dharma ist ein reiner Jenseitsglaube. Das kann man besonders klar bei Leuten wie HHDL sehen, Robert Thurman, Sogyal Rinpoche, Ole Nydahl usw. Auch Ken Wilber z.B. mit seiner Form der „Perennial Philosophie“ gehört zu diesen Jenseitsgläubigen. Allgemeines Merkmal ist immer, wenn man sich das dann auch in anderen Traditionen ansehen will, im Zen, Theravada, MBSR, iBuddhismus etc., daß von einem dem Materiellen übergeordneten Geist ausgegangen wird. Entweder ganz konkret, wie bei HHDL als der Glaube man könne ungeschoren dem physischen Tod entgehen, oder subtiler indem man glaubt irgendwie durch reine Versenkung in eine innere ‚meditative‘ Welt das eigentlich Wichtige zu erkennen. Oder, noch subtiler, indem man der reinen individuellen Rationalität vertraut – das wäre der eigentliche Logozentrismus. Das alles ist aber falsch herum gedacht (wenn man überhaupt weiter in dieser verfluchten Dyade von Geist & Körper denken will): Es gibt nichts ausser einer materiellen – immanenten – Praxis und das heisst in Bezug auf den Geist, daß der nur kollektiv entsteht. Die Schlussfolgerung ist, es gibt überhaupt keine Innerlichkeit – weder supersubtil rational, noch subtil, noch vulgär wie beim Lama in seiner Penthouse-Höhle im Shangri-La wenn ihm beim Phowa einer abgeht.

Man kann sich auch nicht auf einen Dharma im Allgemeinen als dem so genannten Bedingte Entstehen beziehen. Das ist wieder nur ein Name für etwas, das wir nirgendwo finden – eine Transzendentalie. Niemand kann mit sowas etwas anfangen. Es geht nur konkret. Da es aber das individuelle Sein genauso wenig gibt wie das allgemeine – das Individuelle ist immer nur im Kollektiv aufgehoben, das Allgemeine ist lediglich eine hilfreiche Abstraktion – bedeutet „konkret“ keines von beidem. Dieses Paradox des Menschseins muss ein X-Buddhist erstmal lösen.

So lange das nicht der Fall ist, ist man auf einer ontologische Geisterbahn unterwegs. Auf dieser Geisterbahn sausen wir dann wie blöde mit unserer Fiktion des Individuellen umher (eine Fiktion ist keineswegs wirkungslos, man denke nur an Orson Wells „Krieg der Welten„) und versuchen wie rasend ganz individuell (d.h. postmodern) unsere Individualität los zu werden. Der ‚Dharma‘ sagt ja schliesslich es gäbe kein Selbst – angeblich. Und im Buddhismus aktuell wird das unablässig gepredigt: das böse Ego muss abgeschafft werden etc. pp. Nirgendwo aber wird mit dem Kollektiv konkret Ernst gemacht. Das liegt am transzendentalen Dharma auf den man sich immer bezieht.

Beim „Netzwerk Achtsame Wirtschaft“ heisst dieser transzendentale Dharma z.B. Thich Naht Hanh. Um bei in diesem Netzwerk aktiv zu sein, muss man z.B. konkret an TNH glauben. Daran z.B. daß er irgendwie erleuchtet ist. Das aber ist scheissegal. TNH kann machen was er will, Achtsamkeit an sich hat mit ihm nichts zu tun. Es gibt nur konkrete Menschen die unter Achtsamkeit konkrete Dinge verstehen über die man sprechen kann.

Vor der Vernetzung, dem zweiten Schritt, stünde hier erstmal eine Analyse mit dem Ergebnis, daß ein TNH zwar konkret für den einen oder anderen Menschen von Nutzen sein mag, als Beispiel, nichts aber mit einem Abstraktum „Achtsame Wirtschaft“ zu tun hat. Das eine mit dem anderen zusammen ergibt wieder nur ein irgendwie jenseitiges Gespenst. Ein Gespenst nämlich das mir einzureden versucht, ich müsse, bei dem Besuch eines Workshops „Achtsame Wirtschaft“, Gehmeditation nach TNH betreiben. Das ist ganz konkret der Zwang des jenseitigen fiktiven Dharma, ausgeübt auf mich, durch konkrete Individuen, der besagt, achtsames Wirtschaften hätte damit zu tun in Zeitlupe nach der Methode TNH durch die Gegend zu rennen.

Das ist das ganz konkrete Missverständnis.

Was hier nicht durchschaut wird ist, daß TNH schon längst für die allermeisten Menschen eine Marke ist, die Individuen dazu verhilft sich selbst zu definieren. Damit sind sie Teil dessen, gegen das sie als achtsame Wirtschafter ankämpfen wollen. Was nicht verstanden wird ist, daß unser ökonomisches System Individuen benötigt um Mehrwert zu erzeugen und daß es das System über den X-Buddhismus schaft die Transzendierung des Individuums (im Kollektiv) als Individuumsdefinition an uns zu verkaufen. Was dabei heraus kommt ist nicht Gehmeditation, oder gar Anicca, sondern Gleichschritt.

Die Lösung kann nur darin bestehen, diese Dharmalehrer mit ihren Transzendentalien zum Teufel zu jagen. „Tötet sie alle, Gott wird die seinen schon erkennen!“ möchte man da eingedenk katholischer Praktiken rufen, bei denen nie besonders zimperlich vorgegangen wurde.

Es gibt nur manchmal Menschen, die Beispiel sind. Das Beispiel löst das Paradox zwischen Individuellem und Allgemeinen.

[Das Beispiel] ist eine Singularität unter anderen, die jedoch den Platz jeder anderen einnehmen kann, für alle gültig. Einerseits behandelt man jedes Beispiel wie einen realen Einzelfall, andererseits geht man davon aus, dass es als Besonderes seine Gültigkeit verliert. Das Beispiel ist also weder besonders noch allgemein, sondern sozusagen ein singulärer Gegenstand, der sich als solcher zu erkennen gibt, der seine Singularität zeigt. Nun geht auch der tiefere Sinn jenes Wortes auf, das im Griechischen Beispiel bedeutet: para-deigma, was sich daneben zeigt (was im Deutschen Wort Bei-spiel ebenfalls anklingt). Denn der eigentliche Ort des Beispiels ist immer neben ihm, im leeren Raum, in dem sich sein qualitätsloses, unvergessliches Leben abspielt. Dieses Leben ist ein rein sprachliches Leben. Qualitätslos, unvergesslich ist das Leben nur im Wort. Exemplarisches Sein ist rein sprachliches Sein. Exemplarisch ist, was durch keine andere Eigenschaft bestimmt wird als durch diejenige, benannt zu sein. Nicht das Rot-Sein, sondern das Rot-genannt-Werden, nicht das Jakob-Sein, sondern das Jakob-genannt-Werden definiert das Beispiel.*

Ein Star ist das Gegenteil eines Beispiels (eben wieder ein ganz konkret wirksames fiktives Individuum). Oder sagen wir ein Star ist ein Narziss. Und die x-buddhistische Szene ist voll mit Stars. Den Stars, die sich über den überweltlichen Dharma definieren. Das ist bei DSDS nicht anders als bei all den Buddhismusstars die Wetzky nennt, die alle von einem „kollektiven Erwachen“ träumen, ohne wirklich ans Eingemachte gehen zu müssen.

Schafft den Dharma ab!

———-

* Giorgio Agamben, Die kommende Gemeinschaft. Berlin: Merve, 2003, S. 15 f.

10 Antworten zu Das Beispiel

  1. 

    zB dharma, das „was trägt“ …

  2. 

    Letztlich gibt es aus dem Artikel einige Fragen:
    Ist ein immanenter Buddhismus denkbar? Das es weder Ich noch Selbst gibt, ist doch durchaus immanenten nicht widersprechend (auch in der Wissenschaft gibt es viele solche Ansätze).
    Auch Meditation als einfach da sein halte ich für mit immanenten vereinbar.

    Sicher wäre es sinnvoll, die Lehre mal ins 21. Jahrhundert zu holen. Sowas wie Wiedergeburt, Ursache-Wirkung, freier Wille, Wahrheiten ist doch längst fragwürdig geworden.

    Die zweite: Liegt das Hauptproblem des Buddhismus in der Transzendenz?
    Nein. Oder nicht nur. Er liegt gerade in verschiedenen Einmischungen ins immanente: Egal ob Anal/vaginal, ob in Form von Islamhetze und veralteten Frauenbildern eines alten Dänen, ob in Form der Politik der Soka Gakkai-Ablegers Komeito, oder in Form der Einmischung in gesellschaftliches wie die von Ibuddh vertretenen Wilberschen Fantasien, über achtsames Wirtschaften bis hin zum jeden Tag 5 Steine streicheln und das Gutmenschentum des TNH.

    Eigentlich glaube ich, Buddhisten verhalten sich wie alle anderen auch, nur sie denken, sie würden sich unheimlich gut und besonders benehmen.

    Irgendwie hab ich den Eindruck, daß solches Einmischen meist bullshit wird. Wenn es gesellschaftliche Relevanz bekäme (das ist aber nicht zu befürchten), dann endet das womöglich in Achtsamkeits- oder Konzentrationslagern.

    Sogesehen ist aus meiner Sicht da nicht so daß Problem, ob das nun Immanenz oder Transzendenz ist. Vielleicht sind mir ein paar zurückgezogene Leute angenehmer, als die, die „rumfuchteln mit Liebe und Pflicht“ (Zhuangzi).

  3. 

    Hallo Jinen.

    Ist ein immanenter Buddhismus denkbar? Ja, wenn man den amtlichen und kommerziellen Buddhismus abschafft, bzw. ihn links liegen lässt. Buddhismus hat heute glaube ich weitgehend zwei Eigenschaften. 1) Er ist ein Produkt und er ist 2) ein Jenseitsreligion. Ein Produkt ist er in dem Sinne, daß Individuen sich über ihn definieren, ihn sich also zu eigen machen, um so sagen zu können: das bin ich. Das widerspricht natürlich jedem Gedanken von Anatta. Eine Jenseits-Religion ist er nicht nur, wenn an personale Wiedergeburt geglaubt wird oder Karma als Schicksalsmacht. Er ist es auch, wen man glaubt eine originale Version des Buddhismus finden zu können glaubt.

    Ich glaube das eigentlich interessante Problem in Bezug auf deine Frage, ist Punkt eins: Anatta. Und dazu kommen die Einmischungen ins Immanente wie du es nennst. Es geht nicht darum grundsätzlich jeden Glaubensvorstellung oder jede philosophische Vorstellung abzulehnen, sondern sich ihrer so weit wie möglich bewusst zu werden. Was Anatta betrifft, so bin ich ja ganz offensichtlich (erste-Person-Perspektive) vorhanden. Heute wissen wir jedoch, daß das Ich weitgehend formbar ist. Das soziale Geschlecht, politische Einstellung, Empfindungen, Körperlichkeit – alles ist einem sozialen Druck durch Normen ausgesetzt. Das sind alles Einmischung ins Immanente… wobei aber das Immanente eben erst durch diese Normen entsteht. Ohne diese Normen wären wir ein formloser Klos. Diese Normen sind transzendente, durchscheinende, aber erkennbare und willkürliche Regeln. Sie sind aber von großer Wichtigkeit, da ohne sie unser Leben keine Form hätte. Da sie aber willkürlich sind (Männer tragen Hosen), gibt es einen transzendentalen Klebstoff, der die allgemeine transzendente Regel mit der konkreten Immanenz verschweisst, so daß das entstehende Gebilde als natürlich erscheint und akzeptiert wird. Also Immanenz ohne Transzendenz gibt es nicht. Der Punkt ist unsere Immanenz als das zu nehmen was sie ist: eine weitgehend willkürliche Angelegenheit. Anatta – Zufallsprodukt, Ergebnis sozialer und biografischer Läufe, die so oder auch ganz anders hätten laufen können. Sobald das klar wird, ergibt sich Verantwortung, weil man nun die Frage stellen kann, um was es geht und ob dieses oder jenes sinnvoll ist. Deshalb würde ich sagen, das Ganze wird auch irgendwann politisch.

    Die Beispiele die du nennst, sind Fälle in denen diese willkürliche Wirklichkeitsformung eben nicht klar wird. TNH und warum man im Netzwerk achtsames Wirtschaften nach TNH Gehmeditation machen soll (ist bei denen im Kursprogram enthalten)? Das würde ich transzendentalen Zwang nennen, weil die den transzendentalen Klebstoff als absolut setzen – womit sie beweisen, daß sie den Buddhismus eben nicht verstanden haben. Diesen Klebstoff zu erkennen würde ich als Durchbruch des Immanenten ins Transzendentale bezeichnen. Gott (oder Buddha) sieht sich gewissermaßen damit konfrontiert dem Menschen Rede und Antwort stehen zu müssen.

    Was die Meditation angeht stimme ich dir zu. Immanente Meditation im Sinne von einfach-da-sein ist möglich. Sie ist aber nichts anderes. Die Frage wäre, was hat Handlung hier für einen Stellenwert? Einfach den Hammer nehmen und den Nagel einschlagen – Immanenz. Mehr nicht.

    Damit sind wir bei dem, was du über Buddhisten sagst: Eigentlich glaube ich, Buddhisten verhalten sich wie alle anderen auch, nur sie denken, sie würden sich unheimlich gut und besonders benehmen.

    Das ist vielleicht oftmals der entscheidende Punkt. Es geht um Allerweltssachen. Nur Buddhisten bilden sich was drauf ein, einen Nagel achtsam in die Wand zu hauen.

    —-

    Hallo Guido, was meinst du? Das was trägt, ist das etwa transzendentaler Kleber? Wie könnte der immanent sichtbar gemacht werden?

  4. 

    Transzendenz und Immanenz, mit diesen beiden bunten Kostümen kannst Du meinetwegen an eine „philosophische Fasnacht“ gehen …

    Beschäftigung mit dem dharma, im Sinne von, das was trägt, hält, in Bezug steht. Vor allem im Kontext der alten indischen Soteriologie, zu der ja auch der Buddhismus gehört.

    Aber nicht im Sinne von, das was recht ist, dh wie es später zu einem „buddhistischen Benutzerhandbuch“ ausformuliert wurde.

    Dharma zu verstehen, zu begreifen, zu erleben – nichts lässt sich damit vergleichen.

  5. 

    Dharma zu verstehen, zu begreifen, zu erleben – nichts lässt sich damit vergleichen.“

    Gut. Aber dann formulier doch mal aus was genau du meinst. Es geht doch darum sich zu verständigen.

    Die Idee hier auf diesem Blog ist u.a., mit dem Material das der Buddhismus liefert, zu spielen. Kann sein daß dabei völlig neuartige Ausdrucksformen entstehen. Was also ist „Dharma“? Mir reicht es nicht, nur ein ominöses „den Dharma verstehen“ zu hören. Wenn sich nichts damit vergleichen lässt, wie wenn man jemanden liebt z.B., dann ist es doch eine Erfahrung. Man kann versuchen sie zu beschreiben. Man muss es versuchen, weil wir nichts sind als Kommunikation.

    Man kann sich nicht auf die Sprachregelungen des Buddhismus zurück ziehen, weil dann allzu häufig Fachbegriffe benutzt werden, die zu nichts dienen, als Zugehörigkeit auszudrücken.

  6. 

    Aus Erfahrung reicht es mir schon, das Missverständnis zu minimieren. Und „Material, Buddhismus, spielen“, – laut vinaya ist das Kartenspiel ausdrücklich verboten …

    Neuartige Ausdrucksformen, ja, vielleicht soll man lieber warten, bis die neuro-technische Bewusstseinsindustrie uns noch ein paar tolle gadgets liefern wird …

    Wahrscheinlich steht das Aufkommen des Begriffs „dharma“ in Bezug zu den „Ent-Ichungstendenzen“ der alt-indischen Religion, und in Buddha finden wir den radikalsten „performer“ dieser Entwicklung, einer, der über diesen Prozess nicht nur sehr tief nachgedacht, sondern auch in für die damalige Zeit wohl ausserordentlich präzisen Worten berichtet hat.
    Es dünkt, als wäre dharma später, ehemals eine absolut „liebenswerte, lebendige Erfahrung“, mehr und zu einem abstrakten Begriff geworden.
    Die Skepsis dem buddhistischen Komplex dharma gegenüber mag von daher rühren, weil nun in der mehr als zweitausendjährigen Geschichte des Buddhismus an diesen dharma-Begriff, zusätzlich zu seinem von Natur aus innewohnenden, stabilisierenden, erhaltenden und tradierenden Charakter, sehr viel an Verboten, Geboten etc. angehängt wurde, was wir heute tatsächlich nicht mehr akzeptieren können, ausser wie möchten „religiöses Theater“ spielen.

    Nein, es geht darum, über die Texte nachzudenken, wie sie entstanden sind, wie sie verändert worden sind, dann zu untersuchen, welche Erfahrungen wohl dahinter gestanden sein mögen. Jetzt und heute ist zu prüfen, ob diese Worte auch noch mit unseren Erfahrungen, unserer Reflexion über unser Dasein irgendwie korrespondieren können, vielleicht sogar verschüttete Bereiche wieder erschliessen oder – ob das Ganze doch nur ein verdorrter Ast mit bunten Fahnen und Papageien-Folklore in langen Gewändern ist.

    Das heisst, untersuchen, ob es in mir ein Potential gibt, das aktualisiert werden kann.

    Die „Erfahrung des Dharmas“ mit der Erfahrung der Liebe zu vergleichen, das passiert nicht nur einem Un-Buddhisten, da ist man in bester Gesellschaft, denn viele Mystiker haben sich einer solchen Terminologie bedient.

    Ich denke, da muss letztlich jeder seine eigene Werkstatt einrichten. Nicht nachbeten, sondern selber entdecken. In bekannten Worten: erfahrene Spiritualität, nicht blinder Glaube.

    (Nebenbei: In Deinen Texten nimmst Du oft Bezug auf französische Philosophen des letzten Jahrhunderts. Wenn zum Beispiel Derrida sagt, es gibt kein Ich, dann muss er auch sagen können, wer diese Aussage macht, also entweder, Ich, der Derrida, oder die Gesamtheit, die den Derrida ausmacht, erzeugt die Fähigkeit, diese Aussage zu machen, – ich hoffe, dass er diese seine Derrida-Gesamtheit wirklich erfahren hat, sonst wären es nur eitle Gedankenspielereien …)

  7. 

    G.K.

    Spielen tust du immer schon. Jedes mal wenn du eine Text liest.

    Was „die Skepsis dem buddhistischen Komplex dharma gegenüber“ angeht, du meinst ja wohl auch meine oder?, so darf ich darum bitten, nachzulesen: Unter der Rubrik Dogma.

    Über die (Pali)Texte nachdenken etc. ist schön und gut aber nicht Sache dieses Blogs. Deshalb habe ich nach Erfahrung gefragt, nach deiner, als Mensch, als denkendes Wesen. Auch dazu findest du was im Dogma.

    Die Erfahrung der Liebe habe ich nicht mit dem Dharma verglichen (auch wenn der Satz missverständlich formuliert ist), genauso wenig wie dieser Quatsch von mir stammt, Derrida hätte gesagt, es gäbe keine Ich.

    Was soll das? Offensichtlich hat der Text zu einer Stimmungsänderung bei dir gesorgt. Willst du nicht direkt ansprechen, was das ist?

  8. 

    Hallo Matthias

    ich kann Dir versichern, dass bei mir kein wie auch immer gearteter Stimmungsumschwung stattgefunden hat, – mal abgesehen von zeitlich befristeten und zugegeben nicht ganz „angstfreien Momenten des Sinnierens“ über die Ereignisse am Himmel letzten Freitag. Aber dank unseres freien Zugangs zu sachlicher, moderner Information (empfehlenswert vor allem http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/02/17/der-meteor-uber-russland-eine-zusammenfassung/) war die Fassung schnell wieder gefunden, keine Ausserirdischen planten ein Invasion und schossen auf uns, keine Götter warfen mit Donnerkeilen um sich …

    Das ist doch ein gutes Beispiel dafür, wie man, analog zu diesen eigentlich unfassbaren, aber heute dennoch im Rahmen eines wissenschaftlichen Weltbildes messbaren, einordenbaren und erklärbaren Himmelsereignissen, auch die geistige Situation und die daraus entstandene religiösen Bewegungen in den Gangestal-Kulturen vor zweitausendfünfhundert Jahren wieder neu und mit modernen wissenschaftlichen Methoden untersuchen und darstellen muss. Dazu gehört nun mal grundlegend die kritische Analyse der Palitexte. Unabdingbar. Die wenigsten von uns können diese Sprache lesen, deshalb wir sind auf die enorm aufwändige und mühselige Arbeit von ein paar Spezialisten angewiesen (van Bronkhorst, Gombrich, etc.). Was spricht denn dagegen, auch auf diesem Blog hier diese Arbeit gebührend zu erwähnen?

    Aber, erlaube mir, nochmals zum Bild zurück zu schwenken: Buddha, der Sternfeuer-Bolide, der vor paar tausend Jahren in die geistige Welt Nordindiens eingeschlagen ist, dessen Druckwelle anscheinend bis heute anhalten soll, von dem noch immer kleine Splitter heruntersausen sollen und von frommen Menschen eifrig aufgesammelt werden? Nicht mit mir, höre ich Dich laut rufen …

    Natürlich bin ich nicht immer gleicher Meinung wie Du. So what?!
    Wir denken und schreiben auch unterschiedlich. Ich werde in Zukunft darauf achten, dass mein „sprunghaftes Assoziieren“ und „Bilder sehen“ nicht überbordet. So viel zum Spielen.

    Und ich werde mir den vorknöpfen, der mir gesagt hat, der Derrida hätte gesagt, dass es kein Ich gäbe … Ich gebe ja zu, da habe ich quasi eine Fertigpizza aus der Tiefkühltruhe in die Mikrowelle geschmissen, – tut mir leid, aber ich habe nicht gesagt, Du hättest gesagt, Derrida sage …

    Da geht es mir um Folgendes:
    Ich bewundere jeden, der im Salon dieser Franzosen ein und aus gehen darf. Da ist wieder so viel Esprit in der Luft, dass mir schwindelig werden könnte. All die Rückgriffe und Bezüge auf deren Begriffswelt und Konzepte mögen für Dich „state of the art“ im Führen eines Diskurses sein.

    Aber bei all der auf den ersten Blick fremdartig erscheinenden und möglicherweise sogar schmerzhaften Radikalität dieser Art des Hinterfragens – wer hinterfragt denn sie und wie? Wer puderte den deren Perücken?

    Will sagen, für mich ist das nicht das Ende der Fahnenstange.

    Ich meine, jedes Werkzeug hat seine „Eltern“, kriegt im Gebrauch seine Spuren ab und landet im besten Falle im Museum, wenn es nicht vorher umgeschmolzen wird.

    Ich würde es wirklich sehr schätzen, wenn der Herr Blogmaster zumindest mal eine Literaturliste aufschalten täte. Viele Missverständnisse könnten so schon im Ansatz erkannt werden, weil die Diskussionsteilnehmer (idealerweise) so die Möglichkeit bekämen, diese Referenztexte auch zu lesen.

    Ja, das dharma der Liebe, nicht zu verwechseln mit dem Drama der Liebe, das sollte man separat behandeln. Meinst Du nicht auch? Vergeistigte Liebe. Soll eine tolle Erfahrung sein …

    Weisst Du, ich schätze Deine Arbeit hier in diesem Blog sehr, ohne jeden Zweifel anregend; ich muss auch zugeben, dass ich noch nicht alle Texte gelesen habe, aber ich arbeite mich sukzessive durch das Blog-Archiv.

    „Vorläufiges Fazit“: Allmählich hat sich da genug „Material“ angesammelt, so dass Du eine eigene Publikation in Erwägung ziehen könntest. (Die Texte müssten noch „ein wenig lektoriert“, und die paar Fehler in Orthographie und Grammatik eliminiert werden. Da könnte ich Dir behilflich sein, wenn Du möchtest.)

    Habe ich auf alle Punkte geantwortet?

    Nein, warte noch. Ein kurze Szene aus der daily soap „On the road to nirvana“.

    Eine alte, ziemlich angerostet Blechtafel hing da, scheppernd und schaukelnd im Wind. Spuren einer alten, farbigen Lackmalerei. Zwei Einschusslöcher am oberen Rand. Mit schwarzer Farbe „Schafft den Dharma ab“ frisch aufgesprayt. Auf der Rückseite andere, verblichene Worte, kaum noch lesbar, früher mal in rot, fett prangend „Dharma oder Abgrund“ …

    Gruss

    Guido

  9. 

    Hi Guido

    Ich werde in Zukunft darauf achten, dass mein “sprunghaftes Assoziieren” und “Bilder sehen” nicht überbordet.

    Nein, nein, mach ruhig weiter so. Es war meine falsche Interpretation, daß du plötzlich schnippisch wirst. Vielleicht war es der Einfluss des hl. St. Joachim, der mich ein wenig überempfindlich machte, oder die ausklingende Grippe, oder mein Karma… keine Ahnung.

    Grundlegend die kritische Analyse der Palitexte. Unabdingbar.

    Unabdingbar? Für mich sicher nicht. Aber trotzdem sicher wertvoll, interessant, lehrreich, aufschlußreich etc. Ich selber verfolge (nebenbei, oberflächlich) z.B. das International Dunhuang Project, weil mein Interesse am Buddhismus mich eher zum Dzogchen als zum alten Buddhismus geführt hat. Das ist ja das Selbe, nur eine andere Stelle zu einer anderen Zeit auf diesem Planeten betreffend. Was ich nicht mag, und weshalb ich da immer schon vorsorglich abweisend reagiere, sind diese Spruchweisheiten, die man oft schnell um die Ohren gehauen bekommt: Der Buddha sagte dies und daraus folgt dann jenes! Anscheinend ist das bei dir nicht angebracht. Gut so.

    (van Bronkhorst, Gombrich, etc.). Was spricht denn dagegen, auch auf diesem Blog hier diese Arbeit gebührend zu erwähnen?

    Prinzipiell natürlich nichts. Vor allem dann nicht, wenn es kreativ wird. Was mich persönlich angeht steht für mich aber eher der Spekulative Non-Buddhismus im Vordergrund. D.h. die Frage: was passiert wenn man den Buddhismus aller seinen transzendentalen Klamotten beraubt? Das ist die große Vorgabe, und mit diesem Vorzeichen ist dann sozusagen alles erlaubt. Diese Operation hat auch mit Folgendem zu tun:

    Wer hinterfragt denn sie und wie [die Franzosen]?

    François Laruelle! Er sorgt mit seiner Aufdeckung der Invarianz aller Philosophie (auch des Buddhismus, das hat dann Glenn Wallis erledigt), die er die Entscheidung nennt, dafür, daß Derrida oder wer auch immer aufhört so zu philosophieren, als sei seine Philosophie das ultimative Verständnis. Es ist eben nur ein Verständnis. Und Buddhismus ist eben auch nur eines. Es geht dann um lokale Philosophien. Die Suspendierung der philosophischen Entscheidung führt dazu, daß man ohne sie sozusagen eine Philosophie axiomtisch für sich einsetzen kann, um mit ihr genau wieder das zu machen: zu philosophieren. Vorher und nachher unterscheiden sich aber darin, daß das der jeweiligen Philosophie spezifisch eigene Transzendente suspendiert wird – also die Beschreibung des großen unfassbaren Ganzen, das das fassbare kleine Leben umfasst. Es wird als Transzendenz suspendiert und wird stattdessen als immanent gedacht. Der Dharma z.B. ist Leben, und nicht etwas dem Leben übergeordnetes, von dem aus das Leben zu bewerten sei. Er ist Ausdruck des Lebens, des Realen, und damit wird auch unvorhersehbar wie er sich weiter entwickelt. Daher die Aufforderung zum Spiel. Diese „radikale Immanenz“ steht aber nicht ohne Transzendenz da. Sie ist immer noch transzendental begründet. Laruelle setzt das Reale als einziges Transzendental. Und zwar tut er das als Axiom. Damit wird jeder Gedanke unmittelbarer Ausdruck dieses Einen. Egal ob für einen Wissenschaftler oder für einen Mystiker. Es geht beides, weil vor diesem Einen all diese lokalen Philosophien demokratisch aufeinander treffen.

    Klingt kompliziert, isses aber nicht. Es reicht, praktisch, den eigenen Gedanken als unmittelbaren Ausdruck des Realen zu denken. Kurz gesagt: Die Philosophie ist für das Leben da und nicht das Leben für die Philosophie.

    Literaturliste. Hab ich schon notiert.

    Weisst Du, ich schätze Deine Arbeit hier in diesem Blog sehr. Thanks a lot. Ich denke, mir ist jetzt deine Haltung klarer geworden, also spare nicht mit Fragen und/oder Kritik… wegen Unklarheiten, oder wegen direkter Fehler.

    genug “Material” … eigene Publikation ….na, da muss noch ein bisschen zusammen kommen. Da fehlen noch ein paar Themen, die viel besser ausgearbeitet werden sollten.

    Eine alte, ziemlich angerostet Blechtafel hing da, scheppernd und schaukelnd im Wind. Ja, und ein Roadmovie „Die Unbuddhisten auf dem Weg ins Nirgendwo (oder so)„, evtl. auch als Fortsetzungsroman, müsste auch noch her.

    Viele Grüße und Gute Nacht, Matthias

  10. 

    Ich sage, beginnt Dhamma zu verstehen und zu praktizieren! Es geht um den Mittelweg und um das was man machen soll und kann.

    Mag euch zum Thema vielleicht nützlich sein:

    Unterlassene Hilfeleistung – Failure to render assistance
    http://sangham.net/index.php?topic=242.0

    _()_

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