Breitseite
Gestern wurde mein Account beim Forum des Tibetischen Zentrums Hamburg suspendiert. Voraus gegangen war ein ‚Debatte‘ die sichtlich entgleiste – wofür man mich verantwortlich macht. Was bei dieser Karmadebatte Ursache, was Wirkung war, wird, wie so häufig im Leben, nicht mehr zweifelsfrei zu eruieren sein. Das ironische an der Sache ist, daß viele Buddhisten solche Uneindeutigkeiten mit einer das Leben übersimplifizierenden Karmatheorie beseitigen wollen. Daß gerade das nicht geht (weder mit Karma noch mit anderen Patentrezepten aus einer vermeintlichen „ewigen Philosophie“) war Thema dieser ‚Debatte‘.
Ich gehe davon aus, daß die Sperrung Ergebnis einer überforderten Moderation war, die weder die Fülle der Beiträge (über 200 inzwischen), noch die strukturell-thematische Entwicklung, überblicken konnte. Auch muss ich selbstkritisch anmerken, in einem solchen Forum zu behaupten, mancher Gelugpa-Geshe könne vielleicht einfach auch mal Blödsinn von sich geben, kommt dem gleich, in Niederbayern ein katholisches Pfarrerlein mit der Anmerkung zu belästigen, das mit der Jungfrau Maria habe mit einem Übersetzungsfehler zu tun. Ich habe mich trotzdem entschlossen eine sowieso schon orientierungslos dahin treibende Diskussion vor dem Entern mit einer Breitseite gehacktem Blei zu bestreichen (zur strategischen Grundausrichtung von Die Glosse siehe => hier).
Daß die Suspendierung nach dieser Breitseite aufgehoben wurde, ist wohl auf einen Einspruch ‚von oben‘ zurück zu führen – was, wie so vieles, Spekulation bleibt solange es keine entsprechenden Klarstellungen gibt. Ich werte aber die Suspendierung der Suspendierung nach meiner Breitseite als Zeichen dafür, daß diese Diskussion noch nicht beendet ist und daß auf Seite des Tibetischen Zentrums eine Neigung besteht, die angesprochenen Rezeptions-Probleme im deutschen Buddhismus weiter zu diskutieren.
Entschuldigung
Auf Grund dieser offenen Haltung sehe ich meinerseits keinen Grund, mich nicht für meine gestrige Aktion in aller Form bei Christof Spitz zu entschuldigen. Trotz Fragezeichen im Titel, war der Text gestern in Teilen ein Angriff auf persönlicher Ebene. Gerade durch diesen Angriff auf eine prominente Persönlichkeit bekam er seine Brisanz, während das eigentliche Thema der Buddhismusrezeption sowieso schon völlig in den Hintergrund geraten war. Ich hoffe, daß die offene Haltung auf Seite des Tibetischen Zentrums und meine Entschuldigung, die ich hiermit gegenüber Christof Spitz ausdrücke, dazu führen, daß die fraglichen Themen weiter behandelt werden.
Fragen die bleiben
Wie das geschehen kann ist eine andere Sache. Die gestellten Fragen bleiben unbeantwortet. Offene Foren mit ihren oft schnellen, spontanen und wenig durchdachten Argumentationslinien sind, wie wir sehen, für ihre Beantwortung nicht die besten Medien. Was ist mit den Zeitschriften wie Tibet und Buddhismus oder Buddhismus aktuell? Können die sich Diskussionen über grundsätzliche Fragen öffnen? Können die sich der grundsätzlichen Frage über das bedingte Entstehen des Buddhismus im Westen öffnen? Nicht nur mit gelegentlichen harmlosen Beiträgen sondern in einer radikalen Weise die z.B. dem was im Herzsutra gesagt wurde gerecht wird?
Die erste und allgemeinste Frage in dieser Hinsicht ist die folgende: Ist man sich darüber bewusst, daß ein in unserer Kultur geprägtes Bewusstsein unsere Buddhismusrezeption beeinflusst? Daß sich – als Beispiel – die meditative Wendung nach innen, die heute wieder stattfindet, zurück verfolgen lässt in die Romatik des 19. Jhdt., und daß sie da schon das Echo einer Privatisierung des Glaubensaktes war, der in Teilen der christlichen Kirchen wiederholt stattfand? Daß wir mithin also im Buddhismus aus dem Osten unter Umständen unsere eigenes Gesicht wieder sehen ohne uns dessen bewusst zu sein? Anders ausgedrückt: Ist man sich der Brille bewusst durch die man sieht? Falls solche und andere Themen im Tibetischen Zentrum behandelt werden/wurden, bitte ich um entsprechende Hinweise.
Karma
Habe ich durch diese Aktion schlechtes Karma angesammelt? Womit hat Christof Spitz es verdient, derartig angegriffen zu werden? Eins ist klar: ein Speichermedium in dem unsere Taten in dem Sinne aufgezeichnet werden, daß sie später in anderen Leben auf ‚uns‘ zurückfallen gibt es, bei allem was wir wissen, nicht. Handlungen in diesem Leben fallen auf einen selbst zurück – manchmal. Auf eine ausgleichende Gerechtigkeit ausserhalb des menschlichen Bewusstseins können wir aber vernünftiger Weise nicht hoffen. Wir müssen sie selbst schaffen. Luther hat mit seinem Gewissen gerungen und sich gegen eine spekulative göttliche und für eine klare menschliche Handlungsweise entschieden. Wann ist es im Buddhismus so weit, daß man sich für materialistische, diesseitige Handlung entscheidet, daß man wirklich aktiv wird, anstatt auf ein übermenschliches Irgendwas zu hoffen das es schon irgendwie richtet?
Du bist ein „buddhistischer Aktionskünstler“ und erinnerst mich an Schlingensief. Meld‘ dich, wenn du mal in der Nähe bist.
thigle, du bringst mich auf gefährliche Ideen. Danke.
Hallo Matthias Steingass.
da du in deinem beitrag auch Buddhismus aktuell ansprichst, die du in einem deiner letzten beiträge als blöde, aber harmlos charakterisiert hast, möchte ich dir schreiben: als neue chefredakteurin bemühe ich mich darum, die von dir angesprochenen fragen zum budhismus im 21. jahrhundert aufzugreifen und auf eine nicht so harmlose weise zu thematisieren. das letzte heft war im schwerpunkt dem säkularen buddhismus, den stephen batchelor vorschlägt, gewidmet, stellte aber auch z.B. das John Cage Orgelprojekt in Halberstadt vor, das kommende heft gilt dem thema grenzüberschreitungen in einigen facetten, was beiträge zu missbrauch und übergriffen im buddhistischen kontext bei uns im westen einschließt als auch z.b. einen beitrag über buddhismus im westen als postkoloniales projekt.
das thema karma wird sicher auch noch behandelt.
die beiträge auf „Unbudhist“ finde ich thematisch meist sehr inspirierend, allerdings würde ich mir manchmal eine wertschätzendere sprache wünschen!
mit herzlichen grüßen
Ursula
Ursula Richard
Chefredakteurin Buddhismus aktuell I Literaturmanufaktur
edition steinrich
Arndtstr. 34
10965 Berlin
Okay, das teste ich dann mal aus. Ich werde einen laengeren sachlichen Beitrag zu Batchelor schreiben und an BA senden. Da ich ausserdem selbst praktisch einen mit der „edition steinrich“ doch zumindest theoretisch konkurrierenden Verlag betreibe, duerften meine Chancen auf Veroeffentlichung in Buddhismus Aktuell wieder gleich Null stehen, zumal ich ja die DBU heftigst kritisierte. Selbst als das noch nicht der Fall war, wurde mal eine Entgegnung auf Brian Victoria als „zu wissenschaftlich“ abgelehnt, weil sie Zitate und Fussnoten als Belege enthielt. Victorias Buch war damals unter Federfuehrung von Frau Richard bei Theseus erschienen, muss man wissen. Wir haben uns ansonsten immer problemlos verstanden, so mein Eindruck.
Diese Verflechtungen sind jedoch typisch fuer die DBU, im Heft kommen dann auch wieder besonders Glassman und Thich Nhat Hanh zu Wort, wette ich, und die Rezensionen werden auch zahlreicher fuer die Verleger, die in der Redaktion mitarbeiten. Ich wuensche dennoch Erfolg bei einem hoffentlich neuen Kurs.
„Karma Ursache und Wirkung“, gefunden im Goole &Co.:
http://bambuswaldzen.blogspot.de/2012/02/karma-ursache-und-wirkung.html
LB Dooyen,
Im DBU – Rat sitzt ein noch ein „V-Mann“ (Anhänger) von Thich Nhat Hanh & Co. !!! „daher und gerade deshalb und auch deswegen….“ bis jetzt, traute sich dort gar keiner den Mund zu öffnen. („dort hängt das Bild „Die 3 Affen“ beim Eingangstür…)
Werter Herr Steingass
Okay, erzählen Sie doch einmal wie materialistisch, diesseitig zum Nutzen der Menschen, der Tiere und der Natur Sie handeln. Ich lerne gerne, auch wenn ich schon 60+ und den Lehren Buddhas sehr zugeneigt bin.
Ehrlich, ich bin echt neugierig wie viel Zeit Ihnen bei dieser intellektuellen Schnorrerei dazu noch übrig bleibt? Es wundert mich nicht, dass beinahe alle Schnorrer hier Männer sind. Wo ist das Herz und die Hände, oder haben Sie nur einen Kopf?
Bedauerlicherweise habe ich nun hier lesend auch meine Zeit verplempert, trotzdem wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und morgen viel tatkräftiges Handeln mit Herz, Kopf und Händen.
Freundliche Grüsse
Carina
…erzählen Sie doch einmal wie materialistisch, diesseitig zum Nutzen der Menschen, der Tiere und der Natur Sie handeln..: Im Internet mit Ökostrom und Coltanarmen Geräten, wo jeder mitsaugen und sich ärgern oder freuen kann ;-) Frau Carina. Und Sie? Surfen Sie mit Herz und Händen? Oder mit dem Bauch?
„Denke nicht, dass das Dhamma weit weg von dir ist. Es ist in dir drinnen; es handelt von dir. Sieh nur: Eine Minute fröhlich, die nächste Minute traurig, zufrieden, verärgert über diese Person, dann jene Person hassend: Das alles ist Dhamma…“
Und Matthias, wie sieht’s aus. Kannst du schon damit leben nicht anerkannt zu werden oder suchst du noch Streitkräfte für einen Eroberungszug? Also dein Karma… wirklich schlich. :-)
Liebe Ursula Richard,
ich wertschätze sehr, daß diejenigen, deren Position ich teils mit scharfer Polemik angreife trotzdem hier kommentieren. Ich hoffe ich habe es bisher geschafft – trotz der Mittel der Satire die ich in Die Glosse nutze – Personen nicht ad hominen anzugreifen. (Die Zensurhansel-Geschichte ist in dieser Hinsicht grenzwertig.) Meine Kritik richtet sich gegen Haltungen, Ideologien, Dogmen, nicht zuletzt gegen buddhistische Rechthabereien und vor allem gegen die verkitschende Esoterisierung des Buddhismus – nicht aber gegen Personen als Menschen aus Fleisch und Blut die versuchen etwas richtig zu machen. In diese Richtung würde ich das mit der „wertschätzenden Sprache“ differenzieren.
Aber das ist ein größeres allgemeines Thema im Buddhismus heutzutage in unseren Breiten: Kritik wird gerne mit persönlichem Angriff ‚verwechselt‘. Und dieser angeblich persönliche Angriff wird dann als etwas deklariert was der Forderung nach „rechter Rede“ widerspricht. So wird häufig dann zum Schluss mit dem Schwert der „rechten Rede“ jede Form von Kritik abgewehrt. Viele Buddhisten machen es sich da zu einfach.
Daß hier von Euch kommentiert wird, also z.B. auch von Christof Spitz oder Birgit Stratmann, zeigt, meiner Ansicht nach, daß man sieht, daß es hier nicht nur um Polemik geht sondern auch um Argumente – oder bin ich da zu sehr von mir selbst eingenommen?
Wie auch immer, du schreibst, daß du dich als neue chefredakteurin von „Buddhismus aktuell“ darum bemühst, die von mir angesprochenen Fragen zum buddhismus im 21. jahrhundert aufzugreifen und auf eine nicht so harmlose weise zu thematisieren. Wenn ich tatsächlich in dieser Hinsicht einen Anstoß geben konnte so freut mich das sehr. Es zeigt doch, daß wir das kritische Argument wertschätzen und es sehr wohl von persönlicher Diffamierung unterscheiden können. Ich glaube, das ist eine gute Voraussetzung, um in eine Richtung weiter zu gehen in der die Buddhistische Philosophie mehr in ihrer Radikalität verstanden werden kann als in ihrer Anpassungs-und Beruhigungsfähigkeit.
Zitat: „Wann ist es im Buddhismus so weit, daß man sich für materialistische, diesseitige Handlung entscheidet, daß man wirklich aktiv wird, anstatt auf ein übermenschliches Irgendwas zu hoffen das es schon irgendwie richtet?“
Ich weiß gar nicht, wie viele Buddhisten oder eher vom Buddhismus inspirierte Menschen auf ein „übermenschliches Irgendetwas hoffen“. Viele solchen Menschen haben ganz diesseitige Bedürfnisse, für die sie sich aus dem Buddhismus Anregung, Einsicht, Anleitung wünschen. Wohl allen geht es darum, im oder trotz des Alltagsleben mehr Klarheit, Ausgeglichenheit, Gelassenheit, Einsicht, nachhaltig positive Weisen, um Probleme im Leben bewältigen und mehr Glück und Erfüllung finden zu können, aber auch eine tragfähige ethische Haltung und Mitgefühl leben zu können. Natürlich sind Menschen auch von den schwierigen Grundfragen unserer Existenz, wie der sinnvollen Ausgestaltung des Lebens oder dem Umgang mit Vergänglichkeit und Tod beschäftigt. Kurz, es geht ihnen um die erste der Vier Wahrheiten. Es sind eben vielfach die Fragen, die in der heutigen Gesellschaft trotz oder gerade wegen der allgegenwärtigen Aktivität kaum irgendwo tiefgreifend behandelt werden. Die Kirchen haben vielfach auf diesem Gebiet ausgedient. Philosophie wird eher akademisch betrieben. Nur Bücher zu den Themen helfen auch nicht, wenn keine Kultur des lebendigen zwischenmenschlichen Austauschs dazu gepflegt wird.
Wir sind an einem Punkt angekommen, wo viele Menschen erst einmal wieder die geistigen Grundlagen finden wollen, aus denen heraus sie sich zum Beispiel sinnvoll gesellschaftlich engagieren. Vielleicht gibt es da zu viele, denen es mehr um wellness geht, oder zu viele, die zu sehr Nabelschau betreiben, statt in die Welt zu gehen, um aktives Mitgefühl zu üben, was nicht nur anderen, sondern auch ihrer persönlichen Weiterentwicklung helfen würde.
Eine „materialistische Haltung“ sucht man aber wahrscheinlich im Buddhismus größtenteils nicht. Dafür gibt es auch eine Vielzahl anderer Aktivitäten, politische Institutionen, NGO-Arbeit etc. Ich vermute, es geht den meisten am Buddhismus Interessierten eher um die Entwicklung der geistigen Grundlagen eines sinnvollen Lebens, und ich finde das ein nachvollziehbares Bedürfnis von Menschen, die nicht nur über den materiellen Zustand Welt, sondern auch über ethische, geistige Werte und über existenzielle Fragen in Bezug auf sich selbst reflektieren.
Insofern wirst Du mit Deinem Ruf nach einem materialistischen Buddhismus (was immer Du damit meinst) wohl wenig Resonanz finden. Und dass der Buddhismus per se diesseitig ausgerichtet ist oder sein sollte, auch dass werden die Menschen für sich selbst entscheiden. In traditionell buddhistisch geprägten Kulturen etwa wirst Du damit auf Unverständnis stoßen, denn immerhin ist der Buddhismus eine alte Weltreligion, durchaus mit Jenseits-Bezug. Menschen gehen in buddhistische Tempel wegen ihres Seelenheils vor und nach dem Tod. Und wer will ihnen diese Dimension ihrer Religiosität mit welchem Argument absprechen?
Christof,
in Bezug auf dieses Projekt ist es wichtig, ein paar Differenzierungen vorzunehmen.
Es geht erstens nicht um asiatischen zeitgenössischen Buddhismus, jedenfalls nicht primär. Es geht um den Buddhismus im Westen, wie er sich heute zeigt.
Es geht zweitens nicht um die volkstümliche Ausprägung dieser Religion bei vielen Einzelnen die versuchen ihr Leben besser auf die Reihe zu bekommen, sondern es geht um die Punkte an denen die buddhistische Philosophie verraten wird.
Es geht drittens nicht darum, einen weiteren neuen x-ten Buddhismus zu auszurufen, sondern darum eine Qualität des Buddhismus deutlich zu machen, die in seiner Geschichte immer wieder klar vertreten wurde.
Es geht um die Frage was vom Buddhismus übrig bleibt, wenn man ihm jede metaphysische Spekulation nimmt. Es geht darum einem Prinzip des totalen Buddhismus entgegen zu treten, daß meint, Buddhismus sei die einzige Möglichkeit etwas beliebig Gegebenes in dieser Welt zu erklären. Und materialistisch ist das in dem Sinne, daß es diesseitig der Immanenz des tatsächlichen Lebens zugewandt ist.
Personale Wiedergeburt, karmische Samen die in einem angeblichen Bewusstseinskontinuum weiter getragen werden, die Natur des Geistes die ungeschoren durch den Tod gehen soll – all das sind metaphysische, ontologische Spekulationen, die unter Occams Rasiermesser keinen Bestand haben können.
Der Buddhismus wie er sich heute präsentiert, lebt zum großen Teil von diesen Spekulationen. Nirgendwo macht dieser Buddhismus den Schritt in die Immanenz des Lebens, das sich vor unserer Augen entwickelt. In diesem Sinne sind z.B. NGO-Aktivitäten um ein Vielfaches buddhistischer als der zeitgenössische Buddhismus. In dem Sinne nämlich, daß dort vielfach versucht wird schier unermessliche Missstände tätig zu mindern. Ein Rupert Neudeck ist in diesem Sinne ein buddhistischer Heiliger – nur man sieht es ihm eben nicht an. So jemand verkörpert das Beste um was es Religion und Philosophie gehen kann.
Daß man es ihm nicht ansieht betrifft den Punkt drei oben: Eine Qualität des Buddhismus, die in seiner Geschichte immer wieder klar vertreten wurde. Im Herzsutra z.B.; in Nagarjunas Mulamadhyamakakarika; im Gleichnis vom Floss; in Forderungen wie von Linji Yixuan: „Wenn ihr Buddha trefft, tötet Buddha!“; in Gedanken wie sie etwa im Grossen Siegel und in der Grossen Vollkommenheit vetreten werden: daß es nicht um Eide oder Rituale geht usw. usf.
X-Buddhismus ist derjenige Buddhismus der es fertig bringt Buddhismus trotz dieser Einsichten immer wieder in eine dogmatisches Korsett zu zwingen. X-Buddhismus ist also gar kein Buddhismus. Darum geht es.
Hallo Matthias
Nun, nach den „turbulenten“ Auseinandersetzungen der letzten Wochen scheint sich Lage wieder ein wenig beruhigt zu haben.
In vielen Punkten bin ich mit Deiner Kritik am den verschiedenen westlichen Erscheinungsformen des Buddhismus einverstanden. Das sind in der Tat oft bedenkliche Auswüchse.
Dein Hauptvorwurf tritt zB in der Aussage, „Nirgendwo macht dieser Buddhismus den Schritt in die Immanenz des Lebens, das sich vor unserer Augen entwickelt“, deutlich zu Tage.
Bedeutet dies nun, mit Deinen Worten, „wenn ich schon im buddhistischen Sinne nicht mehr gläubig sein kann, dann sollte es wenigstens möglich sein, im buddhistischen Sinne werktätig zu sein“? In den verschiedenen NGO’s? Auf der Strasse?
Ist das nicht ein christlicher Hintergrund, von dem aus Deine Kritik zu verstehen ist, nämlich der Auseinandersetzung zwischen den Standpunkten „Glauben ohne Werke taugt nichts“ (siehe Jakobus), und „Gute Taten allein genügen nicht“ (siehe Paulus)?
Dass die europäische Buddhismus-Rezeption der letzten hundertfünfzig Jahre wesentlich durch eine „christliche Brille“ erfolgt ist, darüber besteht ja wohl kein Zweifel, und scheint vielleicht unumgänglich gewesen zu sein.
Aber man muss auch zugeben, dass einige der von Dir harsch kritisierten „x-Buddhismen“ der letzten Jahrzehnte doch versucht haben, seriös und tief „ad fontes“ und damit zu einem gründlicheren und wahrhaftigeren Verständnis zu gelangen, das unserer westlichen Kultur besser angepasst ist. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen.
Demgegenüber vertritt der Buddha, so wie man ihn in den ursprünglichen Texten kennenlernen mag, einen völlig andern Standpunkt: Er verweigerte sich in der Gesellschaft, in der er aufwuchs, radikal der Besänftigungs- und Verdienste-Erwerben-für-die-Zeit-nach-dem.Tod-Funktionen der damaligen traditionellen Religionen, dem Bündnis zwischen Brahmanen und Herrschenden.
Er war in diesem Sinne ein echter Aussteiger. Und er bietet noch heute vor allem dem Individuum eine Alternative zur Abhängigkeit von traditionellem Glaubens- und Herrschaftssystemen.
Vielleicht schwingt in seiner Lehre auch eine resignative Einsicht mit, nämlich, dass es letztlich aussichtslos sei, sich allzu sehr in guter und edler Absicht in die „Belange der Welt und der Menschen“ einmischen zu wollen, und es liegt die ganze Gewissheit darin, dass nur der Weg, der zum „Erwachen“ führt, in seiner Gänze und mit all seinen Auswirkungen positiv ist.
Dass er und seine Mönche gleichzeitig von den „Zurückgelassenen“ unterstützt und am Leben gehalten wurden, – bei all der Sprengkraft, die in seiner Erkenntnis enthalten ist, – ist nur auf den ersten Blick ein Rätsel.
Vielleicht lebt darin die grosse Faszination weiter, die der Schamane in den noch früheren Stammeskulturen bei den Menschen ausgelöst hat.
Der Schamane, der Priester, der Mönch, sie hielten den Kontakt in die „geistige Welt“, zu den Ahnen, aufrecht, erschlossen diese Welt für die übrigen Menschen.
Oder es war eine kluge, vorausschauende Massnahme, diese „unproduktiven“ Mönchscharen frühzeitig einzubinden zum Wohle der Gesellschaft und ihnen die gleichen Ritual-Vollmachten anzuvertrauen und wieder die Deutungshoheit über Himmel und Hölle zu überlassen. Die weitere Entwicklung der verschiedenen buddhistischen Schulen und Fahrzeuge zu staatstragenden Institutionen ist ja bekannt. Durch die Hintertür kam fast alles wieder herein, was durch die ursprüngliche Lehre Buddhas und sein Wirken eigentlich obsolet geworden war.
Unter diesem Blickwinkel müsste man ja sogar froh sein, dass bei uns für so viele Menschen die Buddha-Figur zur angesagten Ikone geworden ist, die anscheinend gut vereinbar ist mit dem gleichzeitigen Streben nach „Glück, Gesundheit und Genuss“ …
Persönlich halte ich mich an die „frohe Hoffnung“, dass es für jeden einzelnen von uns hilfreich sein kann, sich mit dem Menschen Buddha und seiner Lehre näher zu beschäftigen. Das ist zwar eine im besten Sinne einsame Angelegenheit, das war schon immer so. Und zwar ganz, ohne durch einengende Dogmen behindert zu werden oder irgendwelchen kitschigen, die Sinne vernebelnden Magien und Ritualen zu verfallen.
Nun, ab und zu ein Räucherstäbchen sollte aber erlaubt sein … am besten natürlich nach dem Staubsauger-Ritual …
Gruss
Guido
Hallo Guido.
Der Hauptpunkt was einen Buddhismus meiner Ansicht nach angeht, war im vorletzten Absatz angedeutet: Herzsutra, Nagarjunas Mulamadhyamakakarika, Gleichnis vom Floss, Wenn ihr Buddha trefft tötet Buddha!…
Glaube, das Original, ursprüngliche Texte, der Mensch Buddha und seine Lehre usw., Dinge die du in deinem Kommentar andeutest, sind christlich abendländische Kategorien. Sie haben zu tun mit den Generalkategorien „Substanz“ und „Seele“. Unser Denken ist grundsätzlich durch solche Begriffe geprägt. „Leerheit“ dagegen ist eine Kategorie die in unserem Denken von Haus aus nicht vorkommt, bzw. erst in jüngerer Zeit Fuß fast. Und da auch nur, wo Philosophen denken. Das ist dann vielen gleich wieder viel zu abschreckend. Dabei ist es nicht so schwierig, sich diesen Gedanken einer Leerheit, Offenheit, Prozesshaftigkeit usw. anzunähern. Ernster zu nehmende Formen der Psychotherapie z.B. widmen sich dem.
Das ist der Hauptpunkt: Buddhismus, so wie er heute naiv gedacht wird, verschwindet dann, weil er keine Substanz hat sondern eine andere Kategorie entwickelte, die ein Denken eines substantiellen Originals von vorne herein nicht einschloss. Und ein Christentum, das vielleicht eine Buddhismusrezeption formt, würde auch verschwinden. Der Punkt wäre dann nicht, daß das Christentum etwas verformt, sondern, daß dies häufig geleugnet wird und stattdessen ein pseudo-originaler Buddhismus zelebriert wird. Die immanente Leerheit des Bewusstseins würde sich dann bewusst sein über die eigene radikale Kontingenz und die Notwendigkeiten die aus einer jeweiligen Situation heraus entstehen. Für Rupert Neudeck gab und gibt es eben bestimmte Notwendigkeiten, für mich andere. Ich würde neben dem Tätigsein z.B. auch das Untätigsein hervorheben. Eine Aktivität die unseren ganzen rasenden Kapitalismus zum Zusammenbruch bringen könnte, würden nur genug ihr nachgehen. „Leben ohne Geld“ ist ein Beispiel für so ein Untätigsein.
Ich meine die Leerheit und nicht die Substanz. Das Blöde ist, daß durch unsere kulturbedingte Denkweise die Leerheit auch gleich substanziell gedacht wird. Die Immanenz wird dadurch auch gleich zu einer Materialität im Kontrast zu einer transzendentalen Wahrheit. Oder man denkt Leerheit substanziell als Seele, bzw. als das was die Seele schaut, wenn sie sich dem Heiligsten nähert. Das ist die christlich abendländische Verformung der Leerheit, die es aber so im Orient vermutlich nicht gab. Leerheit ist eine andere Kategorie. Wobei der Begriff Kategorie evtl. problematisch ist. Vielleicht sollte man lieber davon sprechen, etwas grundsätzlich anders zu denken. Das Immanente verspricht z.B. nichts Gutes weil man Gutes tut. Das Immanente ist z.B. ein Widerspruch den man sieht und dem man folgt um eine Frage zu entwickeln und um aus dieser Frage etwas Neues entstehen zu lassen. Der Maler und die Landschaft z.B., und die Pinselspitze in der beide zusammenfliessen.
So gesehen, würde ich grundsätzlich nicht an einen Buddha denken der dies oder jenes getan oder gelassen hat. Ich verstehe wirklich nicht wozu das gut sein soll.