Das Scheisskarma der N-Wörter und der Happy Way raus aus’m Klo der Welt

M. Steingass —  18.5.13

Die Unsichtbare Hand

happy way s100

Dokumentation, Happy Way, 1/2013, S. 100

Unglaublich! Ist das Schicksal, Bestimmung, Vorsehung, die lenkende Hand eines gütigen GOttes oder doch Karma? Wie geht so etwas zu? Einerseits rege ich mich jetzt seit Tagen über eine merkwürdige Karmatheorie auf und viele liebe Menschen bemühen sich mir zu verdeutlichen worum es beim Karma wirklich geht – ohne daß ich es begreife natürlich. Andererseits spielt mir jetzt der Zufall, die Notwendigkeit, die Gnade des Herren – oder was? – eine Information in die Hände die ich eigentlich nie erhalten haben dürfte – es ist: Der große Karma-Test. 

Bei meinem Türken, bei dem ich mich alle drei bis vier Wochen rasieren lasse, beim vermutlich einzigen Mensch im Umkreis von mehreren hundert Kilometern der das kann, ohne daß man den Laden blutend verlässt, liegen die üblichen Zeitschriften aus: Auto Motor und SportComputer Bild etc. Man kennt das. Daneben finden sich immer wieder Druckerzeugnisse bei denen ich mich frage, wie die es schaffen dahin zu kommen: brand eins (keiner dort spricht mehr als 50 Worte deutsch), oder  eine englischsprachige Zeitschrift (die sprechen dort bestimmt kein einziges Wort dieser seltsamen Sprache), deren Namen ich vergessen habe, die mich aber auf einen eindrucksvollen Foto- und Dokumentarband über das Nigerdelta aufmerksam machte. Das Delta des Flusses aus dem wir Haufenweise Energie beziehen, in dem aber bedauerlicher Weise diejenigen, unter deren Füssen dieses Gold lagert, das Scheisskarma haben davon gar nichts zu haben. …oder richtiger gesagt: Sie haben was davon – in der Tat: sauren Regen, vergiftete Brunnen, Bürgerkrieg, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung. In einem Wort: Scheisskarma.

Ist das Schicksal, Bestimmung, Vorsehung, die lenkende Hand eines allwissenden GOttes oder doch Karma? Nun, wie wir gesehen haben lehren uns die gütigen Geshes aus dem fernen ewig  friedlichen Shangri-La, daß letztlich Karma nur versteht, wer wirklich ganz ganz tief innen drinne an sie glaubt – an die Heiligen vom Dach der Welt. Wir müssen uns also nicht mit so schwierigen Fragen befassen, wie etwa der nach den ökonomischen Hintergründen, die das Nigerdelta zu einem Ort der karmischen Strafe machen. Für Menschen die, wie es der Diplomlama Ole Nydahl ausdrückt, „den Inhalten ihres Geistes entsprechend, neue körperliche Formen annehmen“ – als Neger. In Delta Nigeria, The Rape of Pardise kann man sich vor Augen führen, wie das aussieht. Im Vergleich zum Dach der Welt sollte man hier aber wohl vom Klo der Welt sprechen, dem Abort oder dem Ab-Ort – dem Höllenbereich wie es X-Buddhisten nennen – in den man verbannt wird, wenn man gesündigt hat. Wir müssen uns nicht mit den ökonomischen Verhältnissen befassen, die dafür sorgen, daß etwa Royal Dutch Shell behaupten kann, die meisten Öllecks in den Pipelines im Nigerdelta würden von kriminellen Aktivitäten herrühren. Natürlich tun sie das: Junge Männer ohne die geringsten Aussichten, jemals genug Geld in ihrem Leben verdienen zu können, um sich einmal bei einem Türken in Deutschland rasiere lassen zu können, zapfen Ölleitungen an die kreuz und quer durchs Nigerdelta laufen und kochen daraus unter primitivsten Bedingungen Benzin, um dann damit mit einem 30 Jahre alten Moped ein paar Gramm Tapioka zum Mark zu fahren, die die Mama fünfzig Meter von einer röhrend Abgasfackel entfernt getrocknet hat.

Öknomie, ökonomische Verhältnisse, die materiellen Verhältnisse die uns zu dem machen was wir sind? Oh GOtt, bloss nicht. Bodhisattvas wollen das ganze Universum vom Leid befreien, aber die paar Tausend Kilometer Ökonomie von der eisgekühlten Bionade im Yogacenter bis ins Delta der Nigger? Soweit wollen wir es denn doch nicht kommen lassen.

Happy Way

Vielleicht sollte ich mal zu einem anderen Friseur gehen. Zu einem wo andere Zeitschriften ausliegen. Dann würde ich nicht so schlecht drauf sein und an der hehren Motivation all dieser Bionade-Bodhisattvas zweifeln (wir erinnern uns: Die Motivation ist bei allen Taten=Karma von höchster Wichtigkeit. Mit anderen Worten: In großen Dingen reicht es, sie gewollt zu haben). Bei einem Friseur, bei dem ich vielleicht einen karmisch fairträglich angebauten und mit fernöstliche Mantren aromatisierten Glückstee bekomme, statt eines türkischen mit einem plumpen Stück Zucker drinn, würde ich viel eher den Happy Way finden. Das Magazin für Glück Gesundheit & Genuss nämlich, das uns zeigt, daß „Spiritualität und Selbstfindung nicht nur in asiatischen Lehren, sondern auch in unseren heimischen Gefilden erlebt werden kann“. Ist das nicht schön.

Ein gütiges Karma hat mich nun mit dieser  karmisch so hoch entwickelten Blüte deutscher Printmedien in Kontakt gebracht. Ist das nicht die Vorsehung? Ist das nicht ein Glück, welches ich mir in früheren Leben erarbeitet habe, daß ich nun endlich verstehen darf, wie leicht es ist Karma zu verstehen?

Daß ich das noch erleben darf. Auf Seite 19 erklärt mir, wie oben schon erwähnt, der diplomierte Oberlama Ole, wie man mit der Weisheit vom Dach der Welt seinen Dachschaden wieder richten kann. Mit „bewusstem Sterben“, mit seiner Phowa-Meditation, die man, oh wer hätte das gedacht,  bei seiner Heiligkeit dem Nydahl persönlich „jährlich ein Dutzend Mal weltweit“ lernen kann… weltweit? Auch bei den Negern am Niger? Die könnten es ja wohl brauchen. Nach Lama Oles Kurzeinführung in den Buddhismus im Happy Way bietet gerade ein „freudvoller Tod“ die Möglichkeit für verbesserte Umstände im nächsten Leben. Wäre das nicht ideal für die Neger am Niger und überhaupt für all die mit Mühsal beladenen Armen dieses karmisch so arg belasteten Kontinents,  die für viele tausend Euro versuchen, von Schleppern verführt, nach Europa zu gelangen, um schließlich in einem KZ auf Lampedusa oder sonstwo auf einer heissen, sandigen Mittelmeerinsel  zu landen, wo es noch schlimmer ist als ‚zu Hause‘ – falls sie nicht sowieso vorher schon bei der Überfahrt verhungert, verdurstet oder abgesoffen sind?

Tätige Hilfe

Bis in den Niger scheint Oles „weltweit“ nicht zu reichen. Das ist aber auch nachvollziehbar. Die „günstigen Umstände“, daß da der Heiland Nydahl niederfährt, muss man sich erst erarbeiten und da haben die armen Würstchen Schwarzafrikas noch einiges zu tun. Um dem nachzuhelfen, schlage ich eine Spendenaktion vor. Jeder der dies liest kauft ein Heft Happy Way und schickt es ins Nigerdelta, nach Kampala, in den Sudan oder sonst wohin an den Arsch der Welt. Dort besorgen sich die örtlichen von allen guten Karmas Verlassenen einen Deutsch-Afrikanisch-Dolmetscher, schlagen Seite 100 im Happy Way auf und machen den grossen Karma-Test. Inmitten eines bunt-folkloristischen schwarzafrikanischen Bürgerkrieges und im stechenden Geruch einer Abgasfackel von Royal Dutch, können wir uns dann karmisch auf einen glücklichen Tod vorbereiten, um via Seelenwanderung in einem besseren Leben in Europa wiedergeboren zu werden.

happy way s101

Dokumentation, Happy Way, 1/2013, S. 101

Natürlich muss Ole kommen, damit der einem dann den letzten Schliff gibt beim glücklichen dahinsiechen bis zum Exitus unter romantischen Rußwolken, aber die Voraussetzungen lernt man im Test von Happy Way:
Toleranz und Hilfsbereitschaft, Verständnis und Mitgefühl sind wichtige Voraussetzungen für ein glückliches Miteinander. Liebe Neger, lächelt euch einfach öfter mal an. Ihr müsst an das Gute im Menschen (und in Royal Dutch) glauben. Wir mit unseren Energienötigen in Europa – mein GOtt diese ständig steigenden Strompreise bringen mich noch um – wir wissen wie schwierig eure Situation ist. Wir haben ja Fernseh und so. Ihr müsst das Leben einfach ganzheitlich betrachten. Auch mit den kleinen Dingen des Alltags müsst ihr einfach ganz bewusst und achtsam umgehen. Ihr müsst Liebe, Verständnis und Einfühlungsvermögen verinnerlichen, dann klappt das schon.

Wir schicken euch das Heft. Und irgendwann kommt der Heilige St. Ole auch bei euch. Der zeigt euch dann wo’s lang geht. Zum glücklichen Sterben, durch’s Bardo durch, raus aus dem Klo der Welt und rein ins pralle Leben.

24 Antworten zu Das Scheisskarma der N-Wörter und der Happy Way raus aus’m Klo der Welt

  1. 

    Du erinnerst mich an meinen ehemaligen Professor – eine Ikone der Kritischen Psychologie, ein gestandener Marxist (oder so was in der Art, ich weiß jetzt nicht das politisch korrekte Wort für Menschen dieser Art).

    Er konnte sich wirklich äußerst echauffieren über die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Ich weiß noch wie wir im 1. Semester gebannt seinen Worten lauschten, seiner gerissenen Analyse der Zustände der Welt. Seine Einsicht, wie das Sein unser Bewusstsein bestimmt. Kapitalismus. Ausbeutung. Blut und Öl und faschistische Psychologie.

    Nach einigen weiteren Semestern wurde dann jedoch eines deutlich: Dieser wunderbare, kritische Professor konnte wunderbare Analysen abgeben über GOtt und die Welt. Er konnte die Misere der Welt aufzeigen. Die Gier des Systems.
    Doch eines das konnte er nicht: Über den Zustand des Redens hinausgelangen. Letztendlich war dieser Professor ein Gefangener seiner brillanten Worte und Einsichten.

    Aus diesem Grunde ereilte ihm das gleiche Schicksal wie den heroischen Dekonstruktivisten früherer Tage: Da es weder ihm, noch den Dekonstruktivisten gelang, über den Zustand des Redens hinauszukommen, schloss sich die Tür des Lebens hinter ihnen. Denn auch wenn sie vorgaben, von humanistischen oder anderen edlen Beweggründen durchzogen sein – ihren Arsch wollten sie dann doch nicht auf die Straße bewegen. Ihre erhabenen Einsichten wollten sie dann doch nicht in die Gesellschaft transportieren (oder eine neue gründen, oder den Klassenkampf anzetteln – was auch immer in ihren Köpfen so vorging).

    Nein! Sie alle bleiben in ihrem unangreifbaren Elfenbeinturm (heute Blog genannt). Von dort konnten sie mit großem Pathos auf das Elend der Welt blicken und mit ihren dünnen Finger auf die bösen Gestalten der Zeitgeschichte zeigen. Seht! Wie dumm und elend diese Gestalten sind!

    Es muss ein herrliches Gefühl sein, in diesem Elfenbeinturm zu verharren. Es muss ein Gefühl der Allmacht sein, der inneren Größe und Aufrichtigkeit. Und darum ist es nur zu verständlich, dass man diesen Turm, diesen goldenen Blog nicht verlassen möchte – um sich in den Niederungen des Lebens zu beschmutzen.

    Was also ist der Sinn und Zweck dieser unbuddhistischen Demontage? Nun – solange die Unbuddhisten in ihren postmodernen Elfenbeintürmen verharren, wird es nicht viel Sinn und Zweck geben. Sie werden – wie all die anderen Elfenbeinturmbewohner auch – eines Tages sang- und klanglos untergehen. Ohne dass sich etwas geändert hätte. Ohne dass die Menschen am Nigerdelta auch nur den Ansatz einer Verbesserung gespürt hätten.

    Den ohne Engagement bleibt heiße Luft nur – heiße Luft.

  2. 

    Nun, da schlage ich mal ein paar Dinge vor.

    1) Wer so etwas wie dana ueben will, also meinetwegen, wenn er dieses Wort nicht mag, seinen Besitz zu teilen bereit ist, Ueberschuessiges abgeben mag, der soll es NICHT an buddhistische Zentren spenden und NICHT fuer Sesshin, Phowa oder irgendwelchen mystischen Kram ausgeben. Braucht man alles nicht, um Einsichten zu gewinnen. Der lerne stattdessen Unterprivilegierte und Arme kennen und suche nach einer Moeglichkeit der direkten Hilfe. Das ist unbuddhistisch genug, nicht wahr, die Moenche zu zwingen, sich von eigener Arbeit zu ernaehren.

    2) Statt sich von ehemaligen KP- oder CIA-Sympathisanten wie Thich Nhat Hanh und dem Dalai Lama uebers Nichttoeten vollabern zu lassen, waehle man beim naechsten Mal die Partei, die bereit ist, statt alberner jahrelanger Gespraeche und Verhandlungen mit Diktatoren diese moeglichst zuegig zu beseitigen, damit es den Unterdrueckten besser gehen moege. Klar, das weiss man vorher nicht unbedingt. Aber auch das ist Bodhisattva-Sein, ganz unbuddhistisch, den anderen und sein Leiden und nicht das egozentrische Dogma oder Geluebde an die erste Stelle zu setzen. Welche Volltrottel ich jeden zweiten Abend im TV sehe, die vorgeben zu glauben, z.B. einen Assad ueberzeugen zu koennen. Und unterdessen, Leichen ueber Leichen.

    3) Mit dem Sex halte man es so, wie man es mit dem Partner/der Partnerin gemeinsam fuer recht erachtet. Man lasse sich keinesfalls von solchen belabern, die den Sex (zumindest vorgeblich) nicht mehr praktizieren, also nicht wissen, wovon sie sprechen. Und auch nicht von denen, die meinen, man koenne Sex durch mystische Ekstase ersetzen. Ein guter Fick hilft, um solchen Irrsinn einfach wegzulachen.

    4) Wenn zum millionsten Mal behauptet wird, es gaebe im Buddhismus kein Selbst, und das Individuum ein paar Mal schlucken muss, weil es unabdingbar eine Selbstdefinition braucht, um sich durchs Leben zu schleppen oder daran zu erfreuen, dann weise man entschieden darauf hin, dass wir alle ein Ego haben duerfen, dieses jedoch – laut Buddha-Lehre – nicht unser wahres Selbst sein duerfte. Es koennte spannend sein, dieses „wahre Selbst“ zu suchen und womoeglich zu entdecken, ohne sich seiner ganz individuellen Charakterzuege schaemen zu muessen. Das feure man dann denen entgegen, die meinen, es ginge um etwas anderes als die Einsicht, was NICHT unser eigentliches Selbst ist, es ginge also darum, immer schoen freundlich zu sein, immer schoen achtsam, immer schoen meditativ.

    5) Diese bloeden Karmafreaks, die an die Uebertragung des Effektes von Ueblem aus laengst beendeten Leben glauben, die schleife man einfach mal in die Intensivstation, wo Neugeborene nur noch ein paar Tage zu leben haben, und verdonnere sie dazu, ihren Schwachsinn den Eltern dieser Kinder zu erzaehlen, egal, welcher Religion diese angehoeren oder nicht. Oder direkt zu dem kleinen Essensplatz gegenueber des Apsara-Bueros in Siem Reap, also gegenueber der Behoerde, die die Heiligtuemer von Angkor in Kambodscha verwaltet. Dort findet man einen Familienvater, der bis auf einen Bruder alle Angehoerigen unter den Khmer Rouge verloren hat. Ich beantrage, dass Ole Nydahl eine Gruppenreise seiner Anhaenger dorthin spendiert und diesem Mann erklaert, warum man seine Angehoerigen ausrottete.

  3. 

    dooyen: das unterschreib ich.

  4. 
    Christof Spitz 19.5.13 um 16:53 UTC

    Zitat: „Nun, wie wir gesehen haben lehren uns die gütigen Geshes aus dem fernen ewig friedlichen Shangri-La, daß letztlich Karma nur versteht, wer wirklich ganz ganz tief innen drinne an sie glaubt – an die Heiligen vom Dach der Welt. Wir müssen uns also nicht mit so schwierigen Fragen befassen wie etwa der nach den ökonomischen Hintergründen, die das Nigerdelta zu einem Ort der karmischen Strafe machen.“

    Aha, welcher Geshe hat denn diese Argumentation vorgebracht?

    Prämisse: Karma versteht letztlich nur jener, der an die Heiligen vom Dach der Welt glaubt.
    Konklusion: Also ist es unnötig, sich mit schwierigen Fragen etwa nach den ökonomischen Hintergründen eines Ereignisses zu befassen.

    Wer eine solche Behauptung aufstellen würde, wäre in der Tat zu belächeln (milde gesagt). Aber einmal abgesehen davon, dass schon die Prämisse höchst zweifelhaft ist, sehe ich nicht, wie sich daraus die Konklusion ableiten ließe.

    Was hat denn das Verständnis oder Nicht-Verständnis von Karma mit der Notwendigkeit oder Nicht-Notwendigkeit der Erforschung ökonomischer Hintergründe zu tun? Und wo hat jemals ein Geshe eine solche Verbindung hergestellt?

    Deine Polemik in allen Ehren, sorgfältiges und schlüssiges Argumentieren kann sie nicht ersetzen.

    Denn es bliebe ja zumindest logisch die Möglichkeit, beides zu tun: Karma zu verstehen *und* sich mit den ökonomischen Hintergründen zu befassen. Ich vermute, für Dich schließt sich beides aus. Aber das ist vielleicht genau das Problem oder das Missverständnis.

    Unabhängig davon, ob ich die Karma-Lehre für sinnvoll halte oder nicht, muss man aber doch im Sinne intellektueller Redlichkeit zugestehen, dass im indisch-tibetischen Buddhismus nirgendwo Monokausalität gelehrt wird. Im Gegenteil, die klassische buddhistische Philosophie wendet sich vehement gegen eine solche Vorstellung. Bedingtes Entstehen und Multikausalität gehören zum Kern buddhistischer Sicht auf die Lebenswirklichkeit.

    Natürlich kannst Du Dich dagegen wenden, dass mit der Karma-Lehre dem Opfer *überhaupt* eine Mitverursachung an seinem Leiden zugesprochen wird. Aber dass diese mögliche Mitverursachung eine Erforschung und Beseitigung anderer Ursachen überhaupt berühren, unnötig machen oder gar ausschließen würde, ist nicht Teil buddhistischer Weltanschauung.

    Insofern kann eine Betrachtung möglicher karmischer Ursache niemals eine historische, naturwissenschaftliche, soziologische etc. Ursachenforschung ersetzen.

    Wobei der Begriff „zusprechen“ auch genau ein weiteres Problem in Deiner Argumentation aufzeigt. Die „karmische Ursachenforschung“ ist als private gedacht, als eine, die jemand für sich selbst vornimmt, und die ich daher eher als eine phänomenologische Betrachtung bezeichnen würde. Sie dient nicht dazu, von außem jemandem irgendeine Schuld zuzusprechen.

    Ein Aspekt der karmischen Betrachtung ist, dass sie dem Gläubigen helfen kann, in den Fällen, in denen alle diese genannten „nicht-karmischen“ Ursachenforschungen nicht zu einem Ergebnis führen, ein leidhaftes Ereignis im Leben trotzdem zu akzeptieren. Also dort, wo keine andere Antwort mehr gefunden wird. Und häufig geht es wohl gerade um diese Frage: „Warum ist es gerade mir passiert?“ Manch einer mag sich diese Frage erst gar nicht stellen, weil er sie als sinnlos empfindet wie die Frage danach, welchen Ton die Farbe Grün hat. Oder man mag sie als sinnlos sehen, weil er sie für unbeantwortbar hält. Manche glauben in dieser für sie so quälenden Frage (und nicht in der Frage der historischen Ursachen etc!) an die vom unergründlichen göttlichen Willen ihnen aufgegebene Bestimmung, manche sogar an göttliche Strafe, manche an den Zufall, manche an eine Verkettung von Tat und Wirkung. Und manche finden sogar Kraft in der Akzeptanz ihrer eigenen Mitverursachung, weil sie ihnen ermöglicht, sich in dieser nicht nur als Opfer, sondern weiterhin als Akteur zu sehen und damit ihre persönliche Intergrität und Würde bewahren zu können.

    Natürlich könnte es noch andere Aspekte der Karma-Lehre geben, die ihr eine Bedeutung im spirituellen Leben geben, etwa dass sie die Bewusstheit auf moralische Verantwortung lenkt.

    Man kann diese Punkte für überflüssig, schädlich, dem aufgeklärten Menschen unwürdig und unangemessen halten. Das ist eine persönliche Sache. Daher die Karma-Lehre grundsätzlich dem Buddhismus abzusprechen, halte ich aber für problematisch. Es kann einen „säkularen“ Buddhismus geben, aber wird oder darf es deshalb keinen „spirituellen“ oder „religiösen“ Buddhismus mehr geben? Muss man die Menschen, die letzteres wünschen, deshalb als Idioten hinstellen?

    Deine Polemik wird meines Erachtens den existenziellen Fragen nicht gerecht, und die Erforschung ökonomischer Bedingungen allein kann vermutlich diese Domäne – zumindest für viele Menschen – nicht ausfüllen oder ersetzen. Der Theologe Paul Tillich hat es in etwa so formuliert: In der Religion geht es Menschen um jene Fragen, die sie unbedingt angehen, existenzielle Fragen, die etwa die Kontingenz ihres Schicksals, den Tod, die Domäne der Schuld und Moral oder den Sinn ihres Handelns und Lebens betreffen. Kann ihnen die ökonomische oder historische Forschung, die Psychologie oder etwa die Neurowissenschaft die Antworten auf diese Fragen vollständig geben?

    Deshalb ist auch zu bedenken, dass ein Geshe und Mönch zumindest *auch* eine religiöse Person ist und als als solche spricht.

    Natürlich betrifft dies auch die Frage, was „der“ Buddhismus (den es als ein homogenes Gebilde nicht gibt) eigentlich ist, eine Religion, eine Philosophie, eine Übungsmethode?

    Gerade der Dalai Lama unterscheidet hier allerdings ganz deutlich und empfiehlt ausdrücklich den Buddhismus als Religion in der Regel nicht den Menschen anderer Kulturbereiche. Da empfiehlt er Interessenten eher, sich etwa mit der Erfahrung der buddhistischen Tradition bei der Erforschung und Schulung des Bewusstseins (wie Achtsamkeit, positiver Emotionen etc.) oder auch philosophischen Beiträgen etwa in der Erkenntnistheorie zu beschäftigen. Themen wie Karma, Wiedergeburt oder Nirvana spielen da keine Rolle. Das ist übrigens seine persönliche Meinung, kein Dogma von ganz oben.

    Da Du auch die Frage der Fortführung der Institution desDalai Lama angesprochen hast: Dies ist eine rein tibetische Angelegenheit; es geht ihm dabei um die Bewahrung der tibetischen Kultur und Identität. Die chinesische Regierung hat schon beim Panchen Lama versucht, diese religiöse Institution für ihre Politik zu vereinnahmen. Es ist zu befürchten, dass sie auch die Institution des Dalai Lama für ihre Zwecke nutzen wollen. Den Dalai Lama als politische Institution hat der gegenwärtige Dalai Lama übrigens, sehr fortschrittlich, schon abgeschafft. Aber das ist ein anderes Thema.

  5. 

    Kinder, Geschosse

    Ein Gewehr schießt seine Kinder – seine Geschosse – nach außen. Wir schießen unsere nach innen, in unser Herz. Wenn sie gut sind, sind wir in unserem Herzen getroffen. Wenn sie schlecht sind, sind wir in unserem Herzen getroffen. Sie sind eine Angelegenheiten von Karma, unsere Kinder. Da gibt es gute und da gibt es schlechte, aber beide, die guten und die schlechten, sind in gleicher Weise unsere Kinder.

    Wenn sie zur Welt kommen, sehen wir uns doch an: Je schlimmer sie dran sind sind, umso mehr lieben wir sie. Wenn eines von ihnen Kinderlähmung hat und zum Krüppel wird, dann wird es das, welches wir am meisten lieben. Wenn wir das Haus verlassen, sagen wir zu den älteren: „Sieh nach deiner kleinen Schwester. Kümmer dich um dieses.“ – weil wir es lieben. Wenn wir im Sterben liegen, sagen wir ihnen: „Kümmere dich um sie. Kümmere dich um mein Kind.“ Sie ist nicht stark, darum liebst du sie um so mehr.“

    Hier ein ganz guter Test :-)

    Which rebirth do you deserve?
    Warning

    Do not take the result of this Test too seriously. A little teasing on a web site can’t predict our future existence. The law of kamma is too complex and involves too many factors for it to be possible to know a person’s future existence with any certainty. Only the Buddha can know this accurately.
    The aim of this Test

    The aim of this Test is simply to give an idea of the life that we could expect if we continue to live the present life according to the replies we give. It is also an original way to introduce the law of kamma…

    http://en.dhammadana.org/main/test.htm

    Ich verrat Dir nicht schon vorher was rauskommt ;-)

  6. 

    Lieber Christof.

    Ich bitte bei diesem Text und der ganzen Diskussion ein, zwei Sachen zu beachten.

    Dieser Text ist Kabarett. Man sollte ihn also nicht mit einem Aufsatz verwechseln, der ein Thema sachlich behandelt.

    Es wird in dieser Diskussion immer wieder gesagt, Karma sei nicht so naiv zu interpretieren wie ich das tue indem ich sage, das Opfer sei schuld an dem was ihm widerfahre. Dabei muss klar gestellt werden, daß das nicht meine Interpretation ist. Ich greife diese naive Interpretation lediglich auf und spitze sie so zu, daß die logischen Konsequenzen sichtbar werden.

    Der Grosse Karma-Test der Zeitschrift Happy Way gehört zu diesen naiven Interpretationen. Diese naive Interpretation gehört zu einer allgemeinen Tendenz die man sehr gut beobachten kann. Es ist die Tendenz die unzweifelhaft grossen Beiträge buddhistischer Philosophie zu trivialisieren.

    Zu meiner Behauptung: Wie wir gesehen haben, lehren uns die gütigen Geshes aus dem fernen ewig friedlichen Shangri-La, daß letztlich Karma nur versteht, wer wirklich ganz ganz tief innen drinne an sie glaubt – an die Heiligen vom Dach der Welt.

    Dies bezieht sich auf den Abschnitt Karma verstehen leicht gemacht in der Glosse #04. Dort beziehe ich mich auf den Text Karma – Das Gesetz von Ursache und Wirkung von Geshe Rabten. Der Text differenziert weitaus mehr als das in der Glosse abgebildet wird. Aus den am Schluss genannten drei Phänomenen lässt sich aber eine Form der Karmatrivialisierung ableiten gegen die sich meine Glosse wendet: Das Gesetz von Karma und Wirkung gehört zu den äußerst verborgenen Phänomenen […] äußerst verborgene Phänomene sind nur durch begründetes Vertrauen in Buddhas Wissen zu erkennen.

    Dieser Hinweiss, der letztlich besagt, daß normal Sterbliche Karma nicht wirklich durchschauen können, wird regelmässig genutzt wenn die Diskussion unangenehm wird, sprich: wenn man naive Gläubige auf logische Konsequenzen festnagelt, die aus einer Theorie folgen in der „karmischen Samen“ „Früchte“ entfalten die personal in anderen Wiedergeburten erfahren werden.

    Geshe Rabten ist differenzierter – stimmt – aber aus seinem Text lässt sich leider auch diese naive Sichtweise ableiten. Ich behaupte nicht daß das zwingend notwendig geschehen muss, ich wehre mich lediglich gegen diejenigen die eben das tun.

    Diese naive Auslegung hat in eurem Forum statt gefunden. Z.B. schon einmal vor über einem Jahr in einem Thread in dem ich damals auch schon intervenierte. Die Moderation hat es meiner Ansicht nach jedes Mal erheblich an Einsicht und/oder Sensibilität mangeln lassen, derart naiven Karmatheorien Einhalt zu bieten. In Zusammenhang mit der weit verbreiteten Trivialisierung buddhistischer Philosophie ist es angebracht auf solche Phänomene hinzuweisen.

    Ich möchte eins ganz klar sagen: Letztlich geht es hier nicht gegen den einen oder anderen Geshe, gegen dich oder die vielen Buddhisten die sich redlich bemühen, sondern um den Buddhismus an sich der immer mehr zu einer quietscherosa Gefälligkeitsphilosophie des Wegträumens in einer Gesellschaft wird, die sich ein Dreck schert um die Befreiung vom ‚Leid‘.

    Kabarett ist ein Mittel unter anderen zu zeigen, daß diese quitetschrosa Schlaftablette einen ziemlich bitteren Beigeschmack hat und letztlich das Gegenteil von dem ist, was ein ernst genommener Buddhismus will.

    ———

    Weiter: Christof, du sagts, deine Polemik in allen Ehren, sorgfältiges und schlüssiges Argumentieren kann sie nicht ersetzen.

    Natürlich nicht, die sarkastische Zuspitzung von Ole Nydahls Hokus-Pokus-Powa auf ein Freiticket für eine Reinkarnation der „Neger“ vom Niger im uns so teuren und von der Frontex so tapfer verteidigten Europa will auch, wie gesagt, keine schlüssige Argumentation leisten.

    Es ist aber richtig was du sagts: daß aus der Prämisse: Karma verstehe letztlich nur jener, der an die Heiligen vom Dach der Welt glaubt, nicht die Konklusion folgt, es sei daher unnötig, sich mit den schwierigen Fragen etwa nach den ökonomischen Hintergründen eines Ereignisses zu befassen.

    Richtig ist aber auch, daß es einen quietscherosa Wohlstandsbuddhismus gibt der genau das tut: Gesellschaftliche Ungerechtigkeiten ausblenden, sei es national, sei es international. Abgebildet finden wir das in Zeitschriften wie Happy Way.

    ———

    Du sagts weiter, unabhängig davon, ob ich die Karma-Lehre für sinnvoll halte oder nicht, muss man aber doch im Sinne intellektueller Redlichkeit zugestehen, dass im indisch-tibetischen Buddhismus nirgendwo Monokausalität gelehrt wird.

    Das bestreite ich auch gar nicht. Darum geht es nicht mal. Es geht um eine grassierende Buddhismustrivialisierung, die sich auch in eurem Forum wieder findet. Zu dieser Trivialisierung gehört eine Wendung nach Innen als eine privat gedachte karmische Ursachenforschung wie du sagt. Zum Teil ist diese Wendung nach innen sinnvoll und notwendig, darüber müsste man im Einzelnen sprechen. Aber mit Paul Tillich erwähnst du auch die Kontingenz des Schicksals und da wird es eben doch wieder buddhistisch sehr interessant. Religion hat, unbenommen, die Dimension dem undurchschaubaren Schicksal einen Sinn zu geben und viele würden irre werden ohne diesen Sinn. Wenn wir aber weiter schauen, über diesen privaten Tellerrand hinweg, müssen wir doch sehen, daß die Kontingenz auch unser Bewusstsein betrifft. Dann tritt die Frage auf, die mich eigentlich interessiert: Könnte die Wendung nach Innen, das still werden, nicht auch etwas sein, daß einen über das Nachdenken über eine irren Raubtierkapitalismus erspart. Gibt es dieses Innen des Bewusstseins überhaupt, diesen privaten Raum? Ist nicht dieses Bewusstsein viel mehr durch und durch geprägt von den Verhältnissen unserer Kultur und ist damit weder Innen noch Aussen, sondern schlicht eine Aspekt einer überpersonalen Realität, die sich Personen als Behelfsmittel erfindet? Und könnte es nicht sein, daß der Rückzug ins Private, der mit Meditation etc. häufig gepflegt wird, in diesem Zusammenhang eine Chimäre ist, die von einer Marketingindustrie die den Buddhismus geschickt ausnutzt um geistige Ruhe zu verkaufen, dazu genutzt wird allgemein für Ruhe zu sorgen und unser Leben im Falschen nicht zu hinterfragen?

    ———

    Du erwähnst etliche andere Aspekte, aber mir fehlt die Zeit jetzt darauf einzugehen und vielleicht muss das auch nicht jetzt in diesem Thread geschehen. Vielleicht ist dieser Sturm im Wasserglas ja Anlass zu fragen, welche Themen man im zeitgenössichen Buddhismus etwas kritischer anschauen könnte. Die Medien dazu gibt es. Foren, Blogs und nicht zuletzt etliche buddhistische Publikationen im deutschsprachigen Raum. Was fehlt ist der Mut sich der Kontroverse auszusetzen. Letztlich betrifft das auch die Frage, was „rechte Rede“ eigentlich ist oder sein sollte.

    Jedenfalls ist es gut eine solche Diskussion zu haben. Danke.

  7. 

    Gerade gefunden, Hoehne: Europaeische Karmaforschung, ob es was taugt, weiss ich nicht:
    http://www.amazon.de/Europäische-Karmaforschung-Fragmente-einer-Wissenschaft/dp/3837013162

  8. 

    Danke für den Hinweis auf A.Höhne – http://www.alexanderhoehne.ch/wordpress/?page_id=27
    ich sag‘ mal salopp – es taugt nichts. Aber das kann jeder selbst anhand des Inhaltsverzeichnisses nachprüfen.

  9. 

    Hanzze – wirklich. Aber du solltest es selbst für dich prüfen und entscheiden.

  10. 

    Hallo Aiko, ich lass jetzt von Johann Brucker endgültig nichts mehr durch….

  11. 

    Danke, Matthias.
    Ich finde den Hinweis auf die Anthroposophie und der Karma-Lehre durch den Buchtipp auf den Anthroposophen Höhne ganz hilfreich, da es sich ja via Theosophie und Anthroposphie um eine erste Rezeption dieses Gedankens handelt, der auch geradezu begierig hier Fuß gefasst hatte. Bei Steiner und seinen Adepten kommt weitaus deutlicher der Aspekt der rassistischen (Arier) Besonderheit zum Ausdruck. Und ich sehe da auch eine Verbindung zu Ny. und D.L. im euro-tibetischen Denken. Ob es die Heiligen vom Dach der Welt sind oder die Auserwählten der Theosophie – es ist derselbe Gedanke von Überlegenheit aufgrund „höheren Wissens“.
    In der primitiven Gleichsetzung von Karma=Ursache-Wirkung steckt dann auch die ganze Rechtfertigung dessen was eben ist – der Erfolg ist der Beweis. Fragt sich bloß wofür? Wer überlebt hat recht? Es hat ziemlich viel Ähnlichkeit mit dem Calvinismus und seiner Prädestinationslehre. Und es passt eben auch zur Rechtfertigung des Marktes und des Kapitalismus.
    Spannende Diskussion, danke für die Anregung.

  12. 

    Sehr gutes Fazit Dooyen.
    Karma ist das was man tut. Ist doch eigentlich einfach, oder?
    Man schreibt sich ein Konto bei einer Buddhistisch geprägten Bank ein und dann darf man abhaken..
    Erledigt…

    – So einfach wohl doch nicht, oder man hat irgendwas nicht so recht verstanden.
    Wie war das mit den horrend teuren Seminaren die man erst besuchen muss, um zu kapieren was mit Karma gemeint ist. Natürlich sitzt man in einem Seminarraum umgeben von Leuten die alle bereits erleuchtet sind und somit genau wissen von was sie reden.
    Am Ende des Seminars geht man geläutert aus dem Raum. Man fühlt sich wie frisch geboren. Fragen wie: „Um was ging es denn noch mal?“ werden lächelnd beiseite gewischt. „Musst du erlebt haben, das kann man nicht erklären!“ man gehört ja jetzt zu den Ausgeleuchteten Buddhisten die auf solche naiven Frage keine Antwort mehr geben müssen.

    Tja das musst du erlebt haben! Und wieder sind auf deiner Bank ein paar Euros weniger und in deinem Kopf das Gefühl dein Karma wieder zurecht gerückt zu haben.
    Das hält … naja ich denke vielleicht vier Wochen. Dann braucht man das nächste Seminar, oder noch besser ein Einsteigerkurs zum Thema Karma-Auflösung. Nun gehts ins Eingemachte, warst du doch böser Sünder daran selbst schuld, dass es dir so gar nicht gut ging. Das Leid auf deinem Weg ist die Präsens die es erst möglich macht, das du nach vier Wochen Läuterung nun wieder auf der Türmatte erscheinst.

    Auch sitzen wohl Lichtumgebene Wesen die alle die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Natürlich ist dieses verzückte Lächeln auf ihren Gesichtern Teil ihrer Göttlichen Präsenz.
    Sie erzählen dir Dinge die du nach genau 2 Sekunden wieder vergessen hast. Aber egal dein Unterbewusstsein speichert alles für dich, schreibt deine Notizen in feinen Lettern. Auf das du es zu gegebener Zeit fein säuberlich wieder abrufen kannst.

    Zuhause angekommen, begibst du dich erst mal in deinen hochmodern eingerichteten Mediationsraum und sinnierst über das Übel der Welt, zu der du dich nicht zugehörig fühlst, weil dein eigenes Übel durch das Dauerlächeln eingefroren war… für wie lange?

    Na ich schätze mal 4 Wochen…

    —- Ist das Buddhismus?
    Oder ist das dieser Hipp nach Beweihräucherung. Ich lese hin und wieder die News von Ole Nydahl durch und bekomme jedesmal einen leichten Anfall von innerer Zufriedenheit, weil es mir so gut geht, in meiner Einfachheit.
    Dooyen hat es im Grunde genommen genau auf den Punkt gebracht. Buddhismus erklärt sich nicht durch Literarische Ergüsse, oder Zitate (die gerne erbracht werden, aus Sutras die aus einer Zeit entstammen die mit unserer so gar nichts mehr zu tun hat). Man muss das Leben erleben und zwar nicht von seinem Schreibtischstuhl aus, sondern direkt im Geschehen. Entscheidet euch für einen Weg um euer Mitgefühl aufzutauen. Nur ein Weg, das reicht voll und ganz. Egal ob es um das Leid der Menschen geht, welches ihr begleitet. Oder um das Leid der Tiere.
    Wenn ihr bei dem einen angekommen seit, dann öffnet sich auch der Andere.

    Mein Weg war immer schon, ein Weg um das Leid der Tiere zu mindern. Aber ich habe die Menschen nie außer acht gelassen. Je mehr ich mich mit dem Leid der Tiere beschäftigt habe, desto mehr wurde mir das Leid der Menschen bewusst.

    Karma bedeutet für mich den Stall der Schafe und Hühner auszumisten, das körperliche Gefühle danach und die Sicht auf die Zufriedenheit, wenn meine Schafe in den sauberen Stall gehen und sich niederlassen. Aber auch das Mitfühlen wenn ein Tier erkrankt. Das Bangen und Hoffen und der Schmerz wenn es geht. Oder das Glück, wenn es wieder gesundet. Letztens war Liesel krank, ein Huhn, das vor einem Jahr noch geschlachtet werden sollte. Die Sorge um Liesel brachte mich meiner Bestimmung wieder ein Stück näher. Buddhismus ist für mich Alltag. Manchmal schaffe ich es nur für wenige Minuten zu meditieren. Manchmal vergesse ich es ganz und irgendwann fallen mir vor Erschöpfung die Augen zu und ich merke, bevor ich schlafe diesen Frieden und das Glück um mich herum.
    Karma bedeutet für mich Mutter zu sein mit allen Sinnen, ohne mein Kind geboren zu haben. Mich in ihr wieder zu finden und sie sich in mir.

    Ich habe mich in den letzten 2 Jahren sehr verändert. Vieles ist nicht mehr wichtig. Ob es nun Kleidung ist, oder Kosmetik. Sogar das Duschen, das ich früher zelebriert habe, ist in den Hintergrund getreten. Ich tue es um Sauber zu werden. Entspannen kann ich mich auch im dreck der Gülle. Es mag sich merkwürdig anhören, aber ich fühle mich in der Arbeit des Alltags oder in den Pausen, die ich mir auch oft genug genehmige super wohl. Manchmal bleibt Arbeit liegen, solange es nicht die Tiere sind die darunter leiden, ist mir das nicht wichtig. Es ist eben so.

    Karma bedeutet für mich, anderen zu dienen. Ja ich benutze extra das Wort Dienen. Ich tue nichts, wofür ich Geld erhalte. Ich tue nichts das mich bereichert. Würde ich ein Seminar geben, wäre es kostenlos – nicht weil ich kein Geld bräuchte, sondern weil es nicht nötig ist.

    Die Vorstellung: das ein besseres Karma zu finanziellen Reichtum führt, ist für mich einfach lachhaft. DAS ist die Vorstellung die im Westen praktiziert wird, von der Einfachheit weg in die Materialität.
    Und zurück zum Ego.

    Das gleichzeitig von ICH Auflösung gesprochen wird, ist das Paradox überhaupt. Wie will ein Mensch das ICH auflösen, wenn er sich mit dem ICH so dermaßen beschäftigt, das für anderes kein Platz mehr bleibt.
    Die finanzielle Bereicherung ist ein Synonym für das ICH des westlichen Buddhismus.

    Das was Buddhisten wirklich brauchen ist die Nacktheit eines Jeden.
    Sich aus der Anonymität der Sicherheit hinaus zu entwickeln und die Einfachheit in vollen Zügen kosten. Klar kann es Angst machen. Aber das ist Leben in seiner vollen Breite. Angst, Verlust, Schmerz und Leid gehören unweigerlich dazu.

    Der westliche Buddhist möchte aber genau das ganz weit weg von sich schieben. Ein Leben ohne Leid.
    Ohne vorher vom Leid gekostet zu haben. – auch das ist Paradox, denn Leid ist immer da. Wer sich davor verschließt, schließt auch die Augen vor dem Mitgefühl.

    Leid auflösen beginnt nie bei uns selbst!

    Es kann immer nur aus dem Blickfeld eines begleitenden und mitfühlenden Beobachters geschehen.

    Jetzt habe ich ganz schön viel über mICH geschrieben nicht wahr. Aber genau das ist es. Das ICH als Teil des Wirs. Man löst sICH nicht auf, sondern man verbindet sICH. Das dabei das eigene ICH erst einmal so richtig auflodert ist vollkommen normal und auch gut. Man fühlt sICH dem Leid des anderen verbunden. Das ist Global!

    In dem Sinne…

    Tut was, bewegt euch! Es warten Tiere und Menschen auf euch. Wenn nicht direkt, dann gibt es andere Möglichkeiten, sagt Fleisch und Milchnahrung ab.
    Entscheidet euch dafür das andere Wesen für euch nicht sterben müssen, nicht leiden müssen. Entscheidet euch für sie und nur durch sie für euch.

    In dem Sinne:
    Lokah Samastah Sukhino Bhavantu

    Liebe Grüße von Jo

  13. 

    Der Fotograf Samuel James dokumentiert die im Text erwähnten Benzin- und Dieselkochereien. Wirklich sehenswert… und es gibt einem ein bisschen einen Geschmack, wie diese Menschen Leben: Samuel James, Fotograf.

    X-Buddhismus kann man beschreiben als eine Funktion des Kapitalismus die solche Sauereien ausblendet. In einer privaten Innerlichkeit werden diese Teile der Welt systematisch negiert, geleugnet und bestritten.

  14. 

    Wie kann man die Realität verleugnen… ich denke das kann nur jemand, der sich rein intellektuell mit dem Leben befasst… ob das dann aber Leben ist, ist eine andere Frage….Sehr eindrucksvolle Bilder Matthias! Danke für den Link… hier hat jemand einen guten Blick fürs Erleben der Menschen dort…

  15. 

    Hier erläutert Samuel James ein wenig (english), was auf seinen Bildern aus dem Niger-Delta zu sehen ist. Einen Fotoessay in Harper’s von September 2012, The Water of my Land, kann man hier herunterladen.

  16. 

    Ich habe mir „nur“ die Fotos angesehen… englisch ist ja für mich ein Buch mit sieben Siegeln… leider
    Die Fotos sind auf jeden Fall Eindrucksvoll.

  17. 

    Hi Johanna, die Bilder allein sagen schon viel. Hier noch ein Link mit Arbeiten von Samuel James.

    Afrika ist immer noch Das Herz der Finsternis (Joseph Konrad). Was die ausleben müssen, hat viel mit unserer Kolonisation zu tun.

  18. 

    Jep ich weiß, mein Großvater war Schwarzafrikaner, als ich davon erfuhr (ich habe ihn nie kennen gelernt), habe ich sehr viel zum Thema Apartheit gelesen… das hat zwar mit diesem Thema wenig zu tun, aber andere Völker, andere Hautfarben wurden leider immer ausgebeutet. Der weise Mensch ist wie ein Ungetüm in diese Kulturen eingebrochen und das schlimme ist, es lässt sich nicht mehr kitten…

  19. 

    Es ließe sich aber mehr Bewusstsein über diese Dinge erlangen. Gerade Buddhismus mit seinem Konzept der radikalen Kontingenz wäre dazu prädestiniert… ein ernst genommener Buddhismus allerdings, nicht das was man als interessierter Beobachter tagtäglich als Buddhismus präsentiert bekommt.

  20. 

    Ich denke das ein Buddhist sehr wohl dieses Bewusstsein hat – wenn er denn Buddhist ist.
    Versteh mich nicht falsch (ich glaube sogar das du mich ganz gut verstehst ;) )
    Ich will niemanden vorschreiben wie er seine Religion lebt. Aber ich wiederhole mich wieder, Buddhismus muss man leben und da sehe ich das Problem. zur Zeit ist die Zeit der Kopfreligionen. Die Menschen denken göttlich und vermeiden dabei die Intimität des Fühlens. Was dazu führt, das alles sehr strukturiert abgehakt wird und jede Entwicklung wird gleichgesetzt mit Leistung, je mehr Kopf-Leistung, desto mehr Entwicklung. Doch wohin führt es den Buddhisten?

    Auch Computer stürzen irgendwann ab… je mehr man sie belastet mit Informationen, desto mehr Programme muss man aufziehen um das Ganze Innenleben zu schützen…

    Nach wie vor geht es mir so, dass ich mit dem geschriebenen Wort wenig anfangen kann, erst wenn ich es erLEBE ergibt es einen Sinn…

    Dir liebe Grüße von Jo

  21. 

    Matthias, falls du mal wieder im Tibet Forum vorbei kommst, kannst du ihnen ja das vorbeibringen:

    http://ibuddhismus.blogspot.de/2013/07/die-dunkle-seite-des-buddhismus.html

    Liebe Grüße!

  22. 

    Wie zu erwarten, wurde der Blogpost „Die dunkle Seite des Buddhismus“ im Forum des tibetischen Zentrums sofort und ohne Angabe von Gründen gelöscht. Ein Armutszeugnis.

  23. 

    Das wundert mich nicht. Ich denke es wäre besser wenn Leute wie Christoph Spitz (oder auch du) versuchten ihre Erfahrungen für ein breiteres Publikum zu formulieren und das dann in Zeitschriften oder Blogposts publizierten – ohne daß dann jeweils Diskussionen mit Leuten wie Mario, Wolfgang, Turgat oder ähnlichen Armleuchtern alle abschrecken die ein bisschen weiter denken.

    Mit „Erfahrungen“ meine ich, daß auch er wohl realisiert, daß häufig ‚Buddhismus‘ dafür herhalten muss, ein ziemlich enges Weltbild zu generieren das bedingtes Entstehen völlig ignoriert.

    Mal sehen was noch so alles passiert. Ich habe den Eindruck, es könnte ein bisschen frischer Wind aufkommen und man sollte das aktiv fördern. Die Neugestaltung von Buddhismus aktuell ist da vielleicht ein erster zarter Ansatz.

    P.S. Das Problem das Buddhismus aktuell allerdings hat, ist, daß es die Zeitschrift der DBU ist. Die allerdings gehörte erstmal gehörig entrümpelt – angefangen beim Buddhistischen Bekenntnis.