Öfter mal was Neu’s

M. Steingass —  18.10.13 — 9 Kommentare

Nach mehr als zwei Jahren bloggen, stellen sich ein oder zwei Fragen darüber, wie das hier weiter gehen könnte? Dass es weiter geht, steht ausser Frage. Nur das Wie bedarf der Neuerung. Die Frage ist, wie man die verschiedenen Themen hier, und die Formen in denen sie dargestellt werden, sinnvoller strukturiert? So dass es dem neugierigen Leser leichter wird, heraus zu finden um was es geht.

Probleme und Ziele

Ein Problem ist, dass bisher der Spekulativen Non-Buddhismus (SNB) nicht konsequent genug dargestellt wurde. Er ist das zentrale Projekt, um den auch dieses Blog kreist. Der SNB entwickelt sich seit Sommer 2011 im englisch sprachigen Bereich. Es gibt inzwischen sehr genau Vorstellungen davon was dieses Projekt will. Hier wurde das aber bisher immer eher implizit und ausschnittweise dargestellt, so dass es kein Wunder ist, wenn vielleicht mancher Leser bei der Frage, um was es hier eigentlich geht, etwas ratlos ist.

Zum anderen verleitet die Kritik die hier geübt wird, und besonders die Form in der dies geschieht, viele dazu, diese als einen Akt der emotionalen Negativität oder Ablehnung zu disqualifizieren. Dass bei dieser Kritik verschiedene Formen gemischt werden, Polemik und Ironie mit abstrakter kritischer Auseinandersetzung, die offensichtliche Widersprüche des Buddhismus im deutschsprachigen Raum kennzeichnet, macht es vielen Adressaten zu leicht dieser Kritik auszuweichen.

Aus beiden Gründen ist es angebracht, die Formen der Kritik auf diesem Blog besser voneinander zu unterscheiden und zu trennen. Es geht darum, die Kritik genauer auszurichten. Das ist wichtig, weil eines der Ziele hier eine klare Opposition gegenüber einem esoterisch-narzisstischen Buddhismus ist, der beinahe den gesamten deutschsprachigen Buddhismus dominiert. Damit verbunden ist das zweite Ziel, denjenigen denen die Täuschungen dieses X-Buddhismus nicht (mehr) entgeht, Mut zu machen, selbst aktiv zu werden und sich des Gängelbandes selbsternannter buddhistischer Autoritäten und Institutionen zu entledigen. Das heisst, sich zuzutrauen die Frage zu stellen, was mit dem Material von Interesse geschieht, mit dem Buddhismus in allen seinen Formen, wenn man das umfassende Heilsversprechen, das heutzutage mit ihm verkündet und begründet wird, von ihm subtrahiert.

Es ist keineswegs gewiss, dass nach dieser Subtraktion – einer Art Dezimierung – nichts übrig bleibt. Herauszufinden, ob etwas übrig bleibt, und wenn ja was, und was mit diesem Material passiert wenn es endlich mit dem Heute in Kontakt kommt, das ist die dritte und spannendste Frage die hier gestellt wird. Mit dieser Zielsetzung ist klar, dass die Zerstörung, die die Kritik anrichtet, letztlich einem schöpferischen und kreativen Prozess Raum schaffen will.

Um in dieser Hinsicht konzentrierter vorzugehen, wird dieses Blog umstrukturiert. Es wird zukünftig drei Abteilungen oder Kategorien geben, die jeweils klar umrissene Aufgaben haben. Das Kabarett, das mit Die Glosse eingeführt wurde, wird einen ganz neuen Platz erhalten.

Vademekum

Um den eigentlich zentralen Punkt abzudecken, um den dieses Projekt kreist – den Spekulativen Non-Buddhismus – wird ein Vademekum eingeführt. Dieses wird Stichwort für Stichwort zentrale Begriffe des SNB vorstellen. In ihm sollen Begriffe wie etwa X-Buddhismus und Entscheidung, oder das Non des Non-Buddhismus, die hier zwar vielfach angesprochen und benutzt wurden, in kurzer und prägnanter Form vorgestellt werden. Dies wird auch eine Vorbereitung auf die Übersetzung des jüngst auf englisch erschienen zentralen Textes des SNB sein: Speculative Non-Buddhism: X-Buddhist Hallucination and its Decimation von Glenn Wallis, enthalten in: Cruel Theory Sublime Practice – Toward a Revaluation of Buddhism.

Kritik

Kritik wird die zweite neue Kategorie sein, die hier erscheint. Dabei wird es um Kritik im Sinne einer Auseinandersetzung mit Themen gehen, die den deutschsprachigen X-Buddhismus aktuell beschäftigen. Es wird um Diskussionen, Ereignisse oder Entwicklungen gehen, die einer Aussenperspektive bedürfen die es im X-Buddhismus nicht gibt. Als Beispiel sei hier die Kunstaktion Made in Dresden genannt oder der Versuch – wie seit einiger Zeit in der Zeitschrift Buddhismus aktuell – einen neuen, anderen, säkularen Buddhismus zu denken.

Des weiteren gibt es allgemeinere Themen die auffallen. Es stellt sich folgende Frage: Ist der X-Buddhismus möglicherweise ein Sammelbecken für einen rechtsreligiösen, reaktionären Konservativismus? Ein Punkt, der in dieser Hinsicht auffällt, ist, zum Beispiel, die auffällige Art wie er mit dem Thema Sexualität und sexuellem Missbrauch umgeht. Eine Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch durch X-Buddhisten findet so gut wie gar nicht statt und Sexualität an sich, im Zeitalter einer allgegenwärtigen Pornografisierung, ist überhaupt kein Thema. Ebenso findet man im X-Buddhismus häufig deutliche Anzeichen eines antidemokratischen Obrigkeitsdenkens, das sich zum Beispiel in einer vielerorts anzutreffenden Hörigkeit gegenüber buddhistischen Autoritäten ausdrückt. Führt dies wiederum zu einer ablehnenden Haltung gegenüber jeder Form selbstbewussten Denkens, die sich dann auch gegen jegliches kritische politische Denkens richtet?

Zusammenfassen könnte man diese und andere Erscheinungen unter dem Stichwort Religiöser Chauvinismus. Eine Erscheinung die mit dem Prinzip vom zureichenden Buddhismus erklärbar wäre. Dieses Prinzip besagt, dass X-Buddhismus bei allem was er behandelt und erklärt, ausschließlich auf eigene Quellen zurückgreift und ausnahmslos alles auf Basis seiner ihm eigenen spezifischen Ideologie interpretiert.

Um diesen Tunnelblick zu öffnen, wird in der Kategorie Kritik auch vermehrt auf Themen und Literatur hinweisen, die nicht eigentlich dem buddhistischen Denkhorizont zugehören, sehr wohl aber, in gewisser Weise, buddhistisch gedacht werden können.

Praxis

Die dritte Abteilung bzw. Kategorie auf diesem Blog wird dem Gedanken von der Unmöglichkeit des Buddhismus, der im Buddhismus selbst angelegt ist, den theoretischen Unterbau verpassen. Diese Abteilung wird Praxis heissen. Diejenige die sich fragt, ob es richtig ist, so wie es ist? Diejenige sich vom auftauchenden Widerspruch geleitet zu einem anderen Denken durchringt und diejenige schließlich, die in diesem Denken ein anderes Handeln ermöglicht.

Zunächst wird es vermutlich um einen Themenkreis gehen der mit dem folgenden Dreischritt umrissen ist: Kein Buddha, keine Tradition, kein Ich. Das wird vor allem erstmal ein historischer Abriss sein, der aufzeigt, dass ausnahmslos alles, was man über einen vermeintlichen Buddha und seine ihm entsprungenen Traditionen weiss, rückwärts projizierte Fantasiegebilde sind. Das heisst, es wird klar zu machen sein, dass es weder einen historischen Buddha gibt, noch eine eindeutige buddhistische Kerntradition oder -lehre. Was das Ich anbelangt, gilt es zunächst aufzuzeigen, dass die allgegenwärtige Reise ins Innere, die beinahe ausnahmslos in allen gegenwärtigen X-Buddhistischen Varianten gelehrt wird, eine Sackgasse ist. Eine solche nämlich, die sich bei näherer Betrachtung als kultur- und sozio-historisch aus unserer eigenen Geschichte entstanden darstellt. Ein weiterer Schritt was dieses Ich anbelangt wird der sein, zu zeigen, wie brutal die Konsequenzen sind wenn man das Ich tatsächlich als radikal kontingent betrachtet. Wenn man Ernst macht mit Anatman.

Die Glosse

Die Glosse schließlich wird vollständig auf ein neues Blog ausgelagert. Einem gänzlich dem Kabarett gewidmetem, das den X-Buddhismus zum Thema hat. In diesem Kabarett wird der unglaubliche, oftmals skurrile und mitunter höchst witzige Irrsinn vorgeführt, den der X-Buddhismus produziert. Ich konnte für diese Arbeit einen neuen Mitstreiter gewinnen, der diese Arbeit hauptsächlich bestreiten wird. Otto Noise, so sein Name, wird sich in Bälde mit einem ersten Beitrag vorstellen. Der schier unglaubliche Zufall der uns zusammen führte, lies uns schon fast an unserer antikarmischen Grundeinstallung zweifeln… aber Otto mag davon selber berichten.

Selber denken, lachen – und sterben

Mit diesem neuen Setup ist beabsichtigt Einfluss zu nehmen, Ideen anzubieten und Diskussionen anzuregen – und gelegentlich herzhaft zu lachen, wenn man zwischendurch zu den Heiligen hinüber sieht, wie sie sich in ihren Widersprüchen verheddern und dabei lauthals „Heilig! Heilig!“ rufen, damit keinem was auffällt. Dabei wird dieses Blog ein unabhängiges und subjektives Organ bleiben, dass den X-Buddhismus aber von jenseits seiner Wallanlagen kritisch begleitet.

X-Buddhismus ist vor allem auch ein Denkverbot. Wie allgemein in der Gesellschaft in der wir leben (müssen), ist speziell der X-Buddhismus ein Verbot darüber nachzudenken, was genau dazu führt, dass wir so denken, wie wir denken. Der Buddha wird genauso als natürliches Produkt in den Raum gestellt, wie Geld, Banken, Nahrungsmittelknappheit für jeden 8. auf diesem Planeten und vieles andere mehr. Darüber dass der Buddha selbst, der Dharma und die Vielfalt buddhistischer Sanghas selbst radikal kontingent sind, soll nicht nachgedacht werden.

Es soll darüber nicht nachgedacht werden, obwohl im Buddhismus der Tod jeglichen Dogmas, jeglicher Tradition und jeglicher Fetischisierung angelegt ist.

Es gibt keinen Mangel, kein Ende des Mangels, keine Auflösung, kein Ende der Auflösung. Es gibt kein Ende der Täuschung, keine Ursache, kein Ende an sich. Keinen Weg. Kein Ankommen. Kein Verstehen.

Im Herzsutra ist die Unmöglichkeit des Buddhismus formuliert. Im tödlichen Sutra. Im Sutra das jeglicher Institution, die sich anmaßt Buddhismus predigen, lehren oder verwalten zu wollen, mit einem Schlag die Legitimation entzieht. Mit einem Entzug, der Inspiration und Kreativität überhaupt erst möglich macht. Mit einer Entwöhnung also, die, wie bei jedem Suchtkranken, zunächst ein Delirium auslöst – den Verlust des Ankers im sicher geglaubten Buddhismus – bevor die entstehende Nüchternheit und Klarheit die Kraft des Denkens frei setzt.

Man weiss nie, was das Neue sein wird, das man heraufbeschwört. Es wäre nicht das Neue.

Vorüber. Vorüber. Gegangen. Wach. Amen.

9 Antworten zu Öfter mal was Neu’s

  1. 

    Die neue Struktur klingt gut, so etwas wie die neue Sektion „Vademekum“ habe ich tatsächlich schon sehr vermisst.

  2. 

    Hallo Lucius, wird noch ein wenig dauern….

  3. 

    Hallo Matthias,
    ich finde dein Vorhaben wirklich gut! Dein Blog wird dadurch „Leserfreundlich“. Und gerade für neue Leser wird es schnell Klarwas die zentralen Themen sind. Natürlich habe ich gerne deine Beiträge durchgeforstet, aber es braucht Zeit und Zähigkeit um gewisse Zusammenhänge zu begreifen.Ich danke dir vom ganzen Herzen!

    Die von dir erwähnte „antikarmischen Grundeinstellung“ finde ich interessant und wäre dankbar, wenn du das etwas näher erläutern könntest. Was bedeutet für dich Karma?

    Liebe Grüße,
    Wasana

  4. 

    Ich habe deinen vorigen Artikel und deine Aussage zu Karma gelesen. Meine Frage hat sich erledigt.

  5. 

    „Buddhismus“ ist – wie eigentlich jede Religion – dermaßen am/im & für’n Arsch, da fehlen eigentlich die Worte. Ich hoffe, die sind dir noch nicht ausgegangen, denn trotz gewisser Unstimmigkeiten gibt es ja auch einiges an Gemeinsamkeiten zwischen uns und so harre ich deiner Worte wider dieses formvollendeten Irr-sinns. Ergo, wann geht es weiter?

  6. 

    Hallo thigle, long time no see. Bald geht’s weiter. Arbeite an einem Artikel über den Fall Shimano. Mir scheint man weiss in unseren holden Landen nicht genug über diesen speziellen Casus vollendeten Irrsinns, der mir, gepaart mit einer ordentlichen Portion Don Juanismus, selbst altehrwürdigste dauergeile Säcke der Ecclesia Catholica in den Schatten zu stellen scheint. Der Fall Shimano ist geradezu paradigmatisch: 50 Jahre Zazen und kein bisschen Weise. Der Fall ist auch so reichhaltig dokumentiert. Wunderschön. Und wenn man davon ausgeht, dass deutsche Buddhisten (Österreicher und Schweizer dito) mindestens so gerne weggucken wie die Amis wenn irgendwo was passiert was nicht im esoterischen Skript steht – sprich wenn, wie in diesem Fall, der Roshi seine Jüngerinnen buchstäblich zum Kensho bumsen muss –, dann verspricht das einigen Spass… Ich meine, wenn sich heraus stellt was mit „Dharma Schatz“ des Meisters und „Kensho“ wirklich gemeint ist. Wenn man den Text durch die Brille so liest die Shimano trägt. Beim Dokusan in trauter Zweisamkeit, hö hö. Da ist keine Zote zu doof. Das ist wahrer Zen. Das ist großartig. Die Amis sind uns wie immer um Lichtjahre voraus.

  7. 

    So formt sich per MU der MUnd schon mal in die richtige Position für Herrn Zenmeister. Es gibt eben viel zu tun mit seinem „Keisaku“, einem richtig harten Prügel. Macht und Machtmißbrauch geben sich im Kontext ja sowieso die Hand und ist 50 Jahre Unfug à la Nichtpraxis praktizieren eigentlich auch gut gegen Hämorrhoiden? Wie auch immer – deine letzte Antwort war schon ein guter Vorgeschmack auf das was kommt. Wir sehen uns!

  8. 

    Was den Vorgeschmack anbelangt. Ich werde erstmal möglichst trocken nur berichten. Mein Kommentar war mehr dem Bedürfnis geschuldet neben dem Schreiben des Berichts, mal ein oder zwei klein Zoten zu platzieren. Nur so als Ausgleich. …was die Gefässerweiterung und ihre Kur angeht, so ist, glaube ich, generell die Gehmeditation vorzuziehen. CU

  9. 

    Ich finde gerade die Idee für einen Praxisteil sehr spannend, aber ich frage mich wie du das auf dem Blog realisieren willst, das Problem das ich habe, ist die Unübersichtlichkeit der Artikel, wenn ich eine Woche nicht hier war, muss ich auf die Suche gehen – was sicherlich daran liegt, dass ich nicht geschult bin was derartige Strukturen betrifft ;)

    Ein Forum gerade für diesen Teil… hm
    Ich bin gespannt und hoffe ich kann dem Folgen!!
    Zeitlich und Strukturell bedingt.

    Ganz liebe Grüße von der Jo

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