Schwamm drüber?

M. Steingass —  9.10.13 — 7 Kommentare

Heimlich still und leise werden sie unter den Teppich gekehrt – die Affären. Der X-Buddhist als solcher verträgt die Auseinandersetzung mit Widersprüchen nicht. Sein Weltanschauung heisst genau aus diesem Grunde häufig Non-Dual. Alles ist eins. Und wo alles eins ist, kann es keinen Widerspruch geben. Das ist auch der Sinn jeder Meditation mit der es wirklich was auf sich hat. Denn es funktioniert ja wirklich, das Verdimmen und Verdämmern lassen eines Gedankens bei gleichzeitigem Hell wach sein. Wem diese Meditation gelingt, ohne dass er gleichzeitig lernt den Widerspruch zu lieben, der ist der perfekte X-Buddhist. Das heisst, es gibt für ihn tatsächlich keinen Widerspruch mehr. Alles ist gut so wie es ist. Nichts ist zu tun. Nichts kann einen mehr schrecken. Selbst der Tod wird zu einem Popanz, dem man in buchstäblicher Seelenruhe entgegen geht. All das, genauso wie es in den x-buddhistischen Überlieferungen gepredigt wird, stimmt. Es gibt eine endgültigen Frieden. Es gibt den endgültigen Schwamm drüber.

Wie der in der Praxis funktioniert, kann man derzeit bei Misho-an in Wien beobachten: einige Mails hin und her, ein Blogpost wie dieses und schwupp-die-wupp beginnt die Bereinigung. Der X-Buddhist lernt sehr schnell was politisch korrekt ist. Man lernt sehr schnell was der x-buddhistische Konsens will. Man beugt sich der Mehrheit. Man will ja nicht zum Paria werden. Zu einem, der die falschen Dinge sagt, der nicht weiss was sich schickt. Kurz man wird noch etwas mehr zum perfekten Untertan. X-Buddhisten machen vor, wie das geht. …und nicht vergessen: es geht ja auch um Geld, nicht wahr!? Die Kunst geht nach Brot, wie schon Schiller sagte. Und warum sollte das bei Herr und Frau X-Buddhist anders sein?

Gleichzeitig bedeutet das x-buddhistische Schwamm drüber natürlich mit minimalen Aufwand möglichst viel zu erreichen – was so viel ist wie: aus den Augen aus dem Sinn. Das ist der wahre Kern x-buddhistischer Meditation: Schwamm drüber. Im Falle von Misho-an in Wien bedeutet das die Entfernung eines Links von der Homepage, weiter nichts. Optimale Wirkung mit minimalem Aufwand. Der geneigte Surfer der in Wien nun nach den total erleuchteten Zen-Leuten sucht – die ihm auch noch für eine lächerliche Summe Zen für das Geschäftsleben beibringen – findet nun erstmal nicht mehr den Button hinter dem sich ein inkriminierendes Bild von Dr. Fleur Sakura Wöss in non-dualem Einklang mit seiner Eminenz Eido Shimano befindet. Auf der Homepage findet sich nun kein Hinweis mehr  auf die Tradition in der Frau Dr. Wöss sich gerade vor wenigen Tagen noch befand.

Das könnte man als hoch modern auffassen. Man könnte geneigt sein die x-buddhistische Schwamm-drüber-Meditation als wahrhaft buddhistisch anzusehen. Ganz im Sinne des Herzsutras, in dem ja schon nicht nur angedeutet ist, dass es neben Nasen, Augen, Ohr, Zunge und so weiter nicht mal die Vier Edlen Wahrheiten wirklich gibt. Wozu also Tradition? Vielleicht hat sich das Frau Dr. Wöss gedacht als sie, nachdem sie freundlich gefragt wurde, wie es denn mit ihrer Verbindung zu Herrn Shimano steht, den Link – zu deutsch also die Verbindung – zu ihrer Tradition entfernte. So gesehen wäre also die große Schwamm-drüber-Meditation ein unglaublicher Fortschritt. So gesehen…

Leider steht aber zu vermuten, dass es ganz anders gesehen wird. Gerade eben noch war Misho-an „geprägt von mehreren Quellen“ deren erste Herr Eido Shimano war. Nun gibt es es plötzlich nichts mehr. Ist das nicht ein etwas zu gewaltiger Sprung. Zumal man auch von Frau Dr. Wössens zweiter Quelle nichts mehr sieht – dem immer gut geschminkten und freundlich in die Kamera lallenden Zen-Knaller Hinnerk Polenski. Ist bei derartigen Meistern, von mehr als diesen beiden war nicht die Rede, nicht viel mehr an eine fortgeschrittene Form totaler Umnachtung zu denken. Kann man allen Ernstes einem Menschen, der seine „erste Zen-Erfahrungen mit Hinnerk Polenski“ machte – und der auch noch naiv und überdeutlich darauf hinweist –, etwas anderes zutrauen als die totale Verinnerlichung eines völlig sinnentleerten pseudobuddhistischen Geschwafels, eine Art Lobotomie mittels Dharma mit anschließender Verödung jeglichen Restdenkens? Mal im Ernst, kann man einen Menschen ernst nehmen, der Hinnerk Polensiki ernst nimmt? Diese Schießbudenfigur eines delirös vor sich hin meditierenden deutschen Buddhismus?

Wie auch immer, bei derartigen Voraussetzungen kann man ausschließen, dass Frau Dr. Wöss ihre Tradition gewissermaßen satorimäßig transzendiert hat. Vielmehr muss man annehmen, dass sie den österreichisch-wienerischen Tugenden – die schon einen Thomas Bernhard auf die Palme brachten – noch die buddhistische Variante hinzufügt: Immer schön lächeln, ein Sutra dazu hersagen und ansonsten eben die Schwamm-drüber-Meditation. Denn Wössens Tradition bleibt. Natürlich. Wenn auch weniger leicht zugänglich. Die Verdrängung setzt ein (frei nach Freud, der kannte sich ja aus). Man weiss nun was man sagen darf und was nicht. Man passt sich halt an. Und ausserdem: Is eh ois wuascht.

Und so finden wir Wössens Tradition auch schnell wieder. Hier nämlich. Die Anpassung besteht hier wie so oft in der minimal geforderten Leistung. Nach dem Mantra derer die da meditiern anstatt zu denken – aus den Augen aus dem Sinn – entfernt man das Link aber die Seite bleibt. Aber das Unbewusste lässt sich durch derart einfältige Tricks – z.B.möglichst lange auf der Stelle hocken und an die Wand glotzen – nicht betrügen. Das Unbewusste, das große Aussen, das alles Innere bis ins Kleinste hinein beherrscht, in diesem Fall das Netz der umfassenden Transparenz der Schönen Neuen Welt, bringt das Verdrängte unbarmherzig wieder ans Licht.

Eigentlich doch eine tolle Sache. Die totale Transparenz macht des Selbst derart durchsichtig, dass man tatsächlich einen Ahnung von seiner Abwesenheit bekommen könnte. Das heisst, dass man durch die Transparenz mehr und mehr die Partikel sieht, aus denen das Individuum heute zusammengesetzt ist. Man sieht besser und besser wie der Mensch vom Kapital konstruiert wird. Und zuletzt ist da niemand und nichts ausser ein paar Effekten. Frau Dr. Wöss existiert gar nicht. Oder besser, sie existiert nicht im Sinne eines autonomen Wesens. Sie reproduziert lediglich den gedankenlosen Brei der den Buddhismus heute zu einem so idealen Unterstützer der Verhältnisse macht.  Sie und ihr Zen-Buddhismus sind lediglich der Effekt eines spinnerten Polenski und eines japanischen Rüttlers und Kaffesudlesers und die wiederum sind ihrerseits auch wiederum Effekte von Effekten – des deutschen Fernsehens, kaisertreuer japanischer Nationalisten, einer schwierigen Kindheit, eines Blasenleidens, von zu viel Schminke, zu wenig Nachdenken, eingeschlafener Füße, maulfauler Mitläufer. Kurz: von allem was das bedingtes Entstehen von X-Buddhismus so ausmachen kann.

Anstatt ihre Tradition zu leugnen bevor noch der Hahn dreimal kräht, sollte Frau Dr. Wöss in die Offensive gehen. Sie sollte sagen: Leute, scheiss der Hund drauf. Ja, ich stehe zu diesem Polenski-Shimano-Mist, aber was soll’s!? Ist wahrer Zen nicht einfach auch mal in die Scheisse greifen? Und überhaupt, ist das nicht der beste Koan, den man sich denken kann? Ich stehe dazu: Polenski und Shimano, von denen habe ich den Zen: Ich habe das Richtige von den Falschen. Danke für eure Aufklärung ihr Buddhismusschlaumeier. Ich werde sehen, wie ich jetzt weiter mache. Denn – wie Herr Steingass freundlicher Weise schon bemerkte –: an der Meditation ist was dran. Man muss eben nur auch den Widerspruch  lieben lernen. Und das tue ich hiermit. Ich liebe Zen. Es hat was, an die Wand zu glotzen. Es ist gut. Es gibt tatsächlich eine Auszeit von dieser Scheissmaloche dauernd. Man kann sich so gründlich, tief und gut mit Meditation entspannen und regenerieren, es ist gar nicht zu glauben. Aber man muss den Widerspruch lieben lernen. Ich lasse also den Shimano stehen, und den Polenski. Macht damit was ihr wollt. Von beiden habe ich etwas gelernt. Ich! Vielleicht war es eine Projektion. Vielleicht sind sie gar nicht was ich dachte. Na und? Das ist der Widerspruch. Der treibt einen weiter.

Ganz im Gegensatz zu dem was ihr tut. Ihr hättet am liebsten, wenn ich diesen Sache einfach unter den Teppich kehre. Schwamm drüber und weg. Aber a echta Weana geht net unta. Ihr wollt die Sache mit Schweigen übergehen? Ihr glaubt tatsächlich es sei damit getan, einfach weg zu sehen. Wegsehn mit Buddhismus? Wie einfach. Die ideale Sedierung des Gewissens. Denken ist Verwirrung, sagt ihr? Andersrum wird ein Schuh draus. Es ist Verwirrung, was ihr Denken nennt. Und wenn einer politisch unkorrekt ist, kriegt er eine Mail, er löscht ein paar Links und das war’s dann, das ist eure Denke? Aus den Augen aus dem Sinn? Kein Wunder, dass ihr das mit den Grapschern und den ganzen buddhistischen Krautstauden nicht auf die Reihe bekommt. Brent’s wo, wegschaun, fertig.

Diesmal läuft das anders. Ich, Fleur Sakura Wöss, Dr. phil., erkläre hiermit, dass Eido Tai Shimano und Hinnerk Syobu Polenski meine Tradition sind und das auch bleiben. Was anderes wäre möglich? Einfach einen Teil meiner Biografie löschen? Nein, der Widerspruch bleibt. Er belebt sogar. Man muss sich ihm nur stellen.

Ihr Wuchtldrucker wollt das ich mir selber an Schmäh erzähl und so tu als sei nix gwesn?

Schwamm drüber? Nichts da!

7 Antworten zu Schwamm drüber?

  1. 

    In der aktuellen Ausgabe der ZEIT findet sich ein Beitrag „Neue Haltung im Buero“, der die Frage aufwirft, warum die Mode der Achtsamkeitsmeditation, die vor Stress im Alltag usf. schuetzen soll, trotz mangelnder Messbarkeit auch rationale Geister anziehen kann.
    In der gleichen Ausgabe auch ein Beitrag zur sonntaeglichen „Messe“ von Atheisten …

  2. 

    Hab den Artikel in der Zeit gerade überflogen und er ist tatsächlich angenehm kritisch und ausgewogen bzw. stellt die richtigen Fragen (Antworten liefert er leider kaum, aber das ist ja auch schon extrem aussagekräftig: allgemein Anerkannte Antworten gibt es nicht und eine eigene Position traut sich die ZEIT wohl nicht zu..).

    Ich persönlich fand 3 Punkte ganz interessant: 1. Eine quantitative Messung ist wahlweise schwer, nicht möglich oder nicht sinnvoll (auch ein Auftragsmörder hat eine hohes Aufmerksamkeitsniveau). 2. Ein großer Teil der positiven Effekte ist ziemlich banal (wer mehr Pausen macht ist weniger gestresst! WUHU! Was würden wir blos ohne die tausendjahre-alten Weisheiten des Ostens und seiner erleuchteten Meister machen!). 3. Je nachdem wie Achtsamkeit definiert (damit auch gelehrt und praktiziert wird) führt es entweder schlicht zu noch mehr Produktivität (was dem Unternehmen nützt, unabhängig davon wem das wiederum nützt) oder hat unter Umständen negative Auswirkungen (Call-Center-Mitarbeiter kündigen ihre Jobs) für dieses.

    Das wars dann wohl für den Begriff Achtsamkeit. Richard K. Payne hat zwar Meditation explizit ausgeklammert, aber „Putting Nothing in Boxes and Selling it“ triffts trotzdem ganz gut (Link).

  3. 

    Danke Saibhu, definitiv ein Thema dem wir mehr Beachtung schenken sollten.

    Gibt’s den Artikel schon online? Oder könntest du seinen Titel angeben, dann kann ich in irgendwann online abfragen? …nee steht ja schon oben bei Guido.

  4. 
    Joachim Wetzky 31.10.13 um 10:40 UTC

    Ein wenig Off-Topic und doch interessant: Was kommt dabei heraus, wenn magische Buddhisten über Migration & Flüchtlingsbewegungen sprechen?

    „Wie wäre es, wenn das Gesetzt vom Karma dieser Menschen bedacht wird. Sie sind z.B. in Afrika inkarniert worden, es war also ihre „karmische Geburt“. Ist es nun mein Karma, für das Wohl dieser Menschen zu sorgen? Mein Karma ist es, daß es mir in meinem Land gut geht, ich habe alles was ich zum Leben brauche und bin dankbar dafür. Habe ich nicht das Recht, zu wollen, daß der Staat nicht noch mehr Lasten auf sich nimmt, mit der Gefahr, daß dieser „Sozialstaat“ total pleite geht. Dann gibt es keine Renten mehr, keine Sozialwohnungen, keine Sozialhilfe u.s.w.- dafür aber nochmehr Altersarmut.“

    http://forum.tibet.de/index.php/topic,10361.msg76180.html#new

  5. 

    Joachim, so Off-Topic ist das nicht.

    Erstens weil diesem Rechtsausleger Jochen D. und seinem Karmageschwätz aus falsch verstandener ‚Rechter Rede‘ heraus von kaum einem entschieden entgegen getreten wird. Das führt dann dazu, daß diese schwachsinnige Diskussion immer wieder aufflackert, obwohl sie (im Frühjahr) klipp und klar beantwortet wurde.

    Dieses Karmaverständnis beruht auf einem hinduistischen Kastendenken und hat mit Buddhismus nichts zu tun. Letztlich sind für diese Buddhisten immer noch die Juden an der Shoa schuld.

    Zweitens ist das nicht wirklich Off-Topic, weil dieses Kastendenken Teil größeren Strömung im X-Buddhismus zu sein scheint. Einer, die generell Missbrauch, verschrobenem rechtslastigen Denken, Unaufrichtigkeit usw. ein gemütliches Zuhause bietet.

    Man muss sich mal vor Augen halten, was wir so alles beobachten: Ablehnung von kritisch denkender Kunst durch massgebliche Stimmen der DBU (Made in Dresden), grundsätzliche Ablehnung selbst massvoller Neuerungen wie im Falle von Batechlor (Debatte seit Frühjahr in Buddhismus aktuell), Werbung für einen des sexuellen Missbrauchs überführten Zen-Typen (bei der Össterreichischen Buddhistischen Union durch die im Text erwähnte Frau Dr. Fleur Wöss), eine sehr häufig zu beobachtende Haltung der Hörigkeit gegenüber buddhistischen ‚Lehrern‘ (man kann hinsehen wohin man will, hat sich mal wer als ‚Lehrer‘ etabliert, kann er reden was er will, die Gemeinde nickt alles ab. Exemplarisch wohl Sogyal Rinpoche), das karmische Kastendenken mit seinen perversen Auswüchsen und dass dem von vielen angeblichen Buddhisten kaum entgegen getreten wird (siehe Joachims Beispiel im Forum der tibetischen Buddhisten aus Hamburg) usw. usf.

    Nimmt man das alles mal zusammen, sehen wir doch eine ganz bestimmte Haltung, die nur allzu bekannt ist. Es ist eine erzkonservative Haltung die Solidaritätsdenken ablehnt (jede Ich-Ag ist für sich selbst verantwortlich), die Sex im Prinzip als dem Mann zustehendes prinzipielles Recht ansieht und die Frau als diesem rechtmässig zustehendes Gut (wir erinnern uns: noch in den 1990er Jahren stellte sich die CDU/CSU gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe), die Probleme so lange leugnet bis es gar nicht mehr anders geht (können wir täglich seit Juni bei den NSA-Enthüllungen verfolgen) usw. usf.

    Wenn wir diese Felder mal neben einander stellen und ihre gemeinsamen Strukturen ansehen, stellen wir fest, dass diese Strömungen im Buddhismus nichts anderes sind, als Abbilder der gesellschaftlichen Realität. Das ist X-Buddhismus: Der biedere, muffige, reaktionäre Spiesser, den man auch sonst überall findet, als buddhistischer Hohepriester verkleidet.

    Was dazu kommt, und darauf kommt Silke Burmester so schön zu sprechen (danke Saibhu), diese Spiesser verkaufen mit ihrer ‚Achtsamkeit‘ etwas, was schon immer zu haben war – umsonst. Nur jetzt ist mal die Gelegenheit da, damit Kohle zu machen – oder soziale Anerkennung zu schinden die ein einfältiges, narzisstisches Ich sonst kaum bekäme.

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