Alien, das war 1979. Der Androide an Bord der Nostromo sorgt dafür, dass die fremde Lebensform geborgen wird und aus ihrem temporärem Habitat der Stasis entkommen kann. Im Laufe der Handlung wird klar, dass die Company für die das Raumschiff Nostromo unterwegs ist, großes Interesse an der fremden Lebensform hat. Order im Schiffskomputer besagt, derartige Lebensformen, so man sie antrifft, zu bergen und an Bord zu nehmen um sie der Company zuzuführen.
Alien ist wie viele andere Filme Hollywoods eine Metapher unseres Irrsinns: Anstatt vorsichtig tastend auf dem Planetoiden vorzugehen von dem das Signal des Alien ausgesendet wird (das, wie sich herausstellt, kein Hilferuf ist sondern eine Warnung), eskalieren die Ereignisse sofort –: der Befehl der im System des Schiffes Nostromo alle anderen überschreibt, ist der, unter allen Umständen des potentiell maximierenden Elements, der fremden nuklearen Kraft, habhaft zu werden. Ash, der Androide an Bord der Nostromo, ist der, der tatsächlich die Befehlsgewalt stellvertretend für die Company ausübt und selbst da wo er zerfetzt und zerrissen und in einem See aus weißem Androidenblut liegend seine finalen Worte spricht, kann das sich entfaltende Drama nicht mehr aufgehalten werden. Es ist die Eigendynamik der Ereignisse. Die Dynamik eines Geschehens, das über einen Kipppunkt hinaus geht und dann irreversibel wird.
Dabei beschreibt die Geschichte nur was wir tun. In merkwürdig gekippter Form erzählen wir uns unsere eigene Geschichte. Derart verzerrt, dass sie zumutbar wird und sogar unterhaltsam. Das was sich da einnistet und völlig neue Spielregeln setzt, ist die uns verrückende TechnoZivilisation.
Wer oder was aber ist die Company, die bestimmt, wie wir uns zu verhalten haben? Das ist vielleicht der interessanteste Punkt. Sie ist ein Vermutung die wir haben, über das was uns treibt. Eine unsichtbare Kraft, die scheinbar von aussen auf uns wirkt, ohne dass wir einen Einfluss unsererseits hätten. Aber das ist ein Trugschluss. Tatsächlich ist es die Besatzung der Nostromo die dem Entsetzen freie Fahrt gibt. Es gibt zwar einen Kipppunkt, nach dessen Eintreten nichts reversibel ist, nach dem sich ein definitiv anderer Lauf der Dinge vollzieht, aber es ist die Entscheidung der Menschen, die vor und nach dem Kipppunkt den Lauf der Ereignisse beeinflussen – obwohl nach dem Kipppunkt ein Faktor ins Spiel kommt, der die Regeln grundlegend verändert. Vielleicht ist das die Lehre aus dem traumhaften, fantastischen Geschehen: dass man sich diese grundlegende Veränderung klar machen muss. Die Regeln sind nicht mehr die gleichen. Alien hält sich nicht an die Regeln die wir kennen und als konstitutiv verinnerlicht – d.h. naturalisiert – haben. Würde man Alien verletzten, würde die Säure aus seinem Kreislauf möglicherweise die Nostromo zerstören. Das heisst, dass das Alien, das wir eingeladen haben, es uns nicht mehr gestattet unser Ökosystem in dem wir leben zu bewahren – so oder so: der Traum, dass alles gut wird, ist ausgeträumt.
Wir sind mit einer Schöpfung konfrontiert, die einen völlig anderen Widerstand erfordert. Der Widerstand im Film ist sinnlos – gerade wenn man die Follow-ups betrachtet die das System generiert welche das Problem fantasiert –: Alien kommt zurück, tritt immer wieder auf, in Pre- und Sequels, in immer genaueren Bildern, immer dichter an uns dran, in immer aufdringlicheren Formen, in Formen in denen wir es, das Fremde, das scheinbar Fremde, als guten alten Bekannten zu sehen lernen. Jeder Widerstand ist zwecklos. Und immer nur scheinbar wird Alien besiegt. Er wird aus der Rettungskapsel herausgeschleudert. Buchstäblich im letzten Moment – im allerletzten – ins tödliche All. Nur um wiederzukehren. Mit tödlicher Sicherheit. Wir können es uns, mit den Mitteln die uns vertraut sind, nicht vom Leibe halten.
Wie im Wahn erzählt uns die Traummaschine die immer gleiche Geschichte. Egal welche Fantasie im nächsten Fantasiehorrorthriller abgespult wird, es ist nichts Neues.
Die eigentliche Metapher ist die Company. Jenes Abwesende, nicht Greifbare, von dem wir vermuten, dass es die Ereignisse entscheidend beeinflusst. Nicht „der Kapitalismus“ ist es um was es geht, der Begriff ist selbst wieder eine Metapher. Es ist das, zu was es die Verhältnisse gebracht haben, das was das Individuum wird: das Dividual – jene amorphe Masse Bewusstsein, welche alle Geschichte, alle Referenz, jeden Bezug verloren hat und zu einem Datensatz wird, der gar nicht mehr auf den Inhalt hin untersucht werden muss, sondern der aus Korrelationen besteht. Das Dividual ist eine Korrelation oder ein Set aus Korrelationen, die keinen sinnvollen Inhalt mehr bieten. Nicht jedenfalls im Sinne eines erfüllten Lebens oder ähnlicher Sinngebungen. Der Verlust des Inhalts macht sich jedoch bemerkbar – es ist die Depression die das Dividual heimsucht oder die Angstattacke, das schleichende Gefühl einer Bedrohung, die sich nicht wirklich orten lässt, die aber nichtsdestotrotz mit Vernichtung droht. Das Dividuum leidet am Verlust des Inhaltes. Das ist das Fremde. Der Verlust der Inhalte im Verlust der Zeichen und damit von Werten und Zielen. Das ist es was die Nostromo nach Hause bringen soll. Das Wachstum um den Preis, dass alles was bleibt, reines Wachstum ist. Das ist die Company. Korrelation die Wachstum sucht. Das Zeichen und jede bekannte Hermeneutik endet. Der Horror des Sinnverlustes ist es, der Menschen in eine tödliche depressive Erstarrung drängt. Der unbeschreibliche Kern des Alien: dass Nichts im Kern sein könnte, dass aller Sinn sich auflöst und dass die reine Korrelation stattdessen konstitutiv und zum Wesen des Menschen wird. Eine maschinenhafte Korrelation, die in einem blinden Prozess optimiert, indem sie nachführt, d.h. indem sie erkannte Korrelationen nutzt – nicht die fantastisch-kreative Vision, die die Zukunft gestaltet. Es gibt kein Zukunft mehr, wenn man sie als das betrachtet, was den Menschen der Moderne ausmachte: die Fähigkeit sich etwas vor-zu-stellen. Insofern ist der Mensch als Individuum tot. Das was bleibt ist ein Korrelat.
Der in ein fantastisches Aussen projizierte Albtraum, ist Ausdruck einer Angst vor dem Namenlosen das der Mensch nun wird. Die Angst vor dem Namenlosen, dem Fremden, dem Alien, ist die Angst vor einer völlig anderen Existenzform, die der Mensch einzugehen gezwungen ist – ohne dass er Mensch bleiben könnte. Mensch, das ist der Name derer die Menschlichkeit und Unmenschlichkeit kannten. Das Korrelat, das Dividual könnte eher in ein dauerhaftes Glück gleiten, das entlang permanenter metabolischen Manipulation plus entsprechender Glücksideologie korreliert wird. Die Schöne Neue Welt, hundert Mal besser, als je gedacht. Depressionen und Ängste werden verschwinden und ein Elysium der Besseren wird sich entwickeln in dem alles tatsächlich schön scheint. Eine totale Ästhetik, die einem a priori der Korrelation folgt. D.h. eine, in der es keine Überraschung mehr gibt, nur noch ein ewiges schwelgen im Jetzt. Einem, das andauernd subtil nachgeführt wird, adjustiert, optimiert, stets dem Trend ergeben. In einer nulldimensionalen Existenz der stetigen Stasis. Ohne Kontrolle, da am Tropf des Surrogates der totalen Freiheit. Zeitlos und ohne Zukunft.
Eine Mehrheit wird zurückbleiben, in der Tat. Sie werden in einer Art Limbus leben, dem das Elysium völlig unerreichbar ist. In vielfältigen Formen. Grausam, schön, halb verrottet, zahllos, unerlöst. Der Mensch aber ist hin. Da wie dort. Ihn wird es gegeben haben, wie die alten Ägypter, die großen Reiche Amerikas, wie die Myriaden an Kulturen, die wir zu verstehen meinen, die uns aber tatsächlich unverständlich bleiben müssen. Der Mensch wird gewesen sein. Das fahle Bild eines barbarischen Vorfahren, der noch Angst hatte und das Grauen kannte.
Die Brutalität, die die fremde Kreatur zeigt, ist Ausdruck des Unvorstellbaren das dem Menschen in seiner Transformation zum Dividual entgegentritt. Der Horror ist seiner Unfähigkeit geschuldet, sich eine Vor-Stellung von dem zu machen, was er sein wird. Ash, der Androide an Bord der Nostromo, spricht mit seinen letzten Worten aus, was von dieser kommenden Kreatur aus Sicht der maximierten ökonomischen Effizienz zu halten ist: „Ein vollkommener Organismus. Seine strukturelle Perfektion nur überragt von seiner Feindseligkeit. Ich verehre seine Reinheit. Ein Überlebenskünstler ohne Gewissen, Reue oder Illusionen der Moral.“
In einem Interview hat Hans Ruedi Giger gesagt, wenn er die Augen zumache, dann sähe er einfach diese Welten. Vielleicht ist es so, dass sich in Manchen etwas auskristallisiert, was andere nicht wahrnehmen können. Vielleicht gibt es diese Visionen. Oder vielleicht ist es einfach die alte menschliche Hermeneutik, die das glauben möchte. Wie man es aber auch dreht und wendet, Giger war einer von denen, die mehr zu sehen gaben als viele. Was man damit macht, ist nicht die Sache des Sehers. Das ist unsere. R.I.P.