Wenn es einen Wert buddhistischer Philosophie gibt, kommt der nie bei denen an, die versuchen Buddhismus im alltäglichen Einerlei zu leben. Bei denjenigen, die im neoliberal befreiten Alltag versuchen, Buddhismus als Mittel zu leben, um nicht gänzlich vom Kapital gefressen zu werden. Bei denen die versuchen, einen Sinn in einer ansonsten völlig irrsinnigen und mit einem penetranten Konsumismus durchseuchten schönen neuen Welt zu finden. Buddhismus im Alltag, das sind Kalenderblattsprüche und Exotikversatzstücke vom edlen Wilden aus dem Osten. Was im Alltag von buddhistischer Philosophie ankommt, sind kapitalisierte Verzerrungen einer zur Ware gemachten Befreiung. Was ankommt, ist ein Verrat am Versprechen der Befreiung von denen, die vorgeben, dieses Versprechen für den Menschen einlösbar zu machen!
Dieser Verrat verdient den schärfsten Widerspruch. Ebenso wie das Lächerliche das vom Buddhismus bleibt und ihn zum Popanz macht. Ein Popanz der uns Tag für Tag als Ausdruck dieses Verrats begegnet. Buchstäblich. Der Deko- und Reklamebuddha als billiger Blickfang. Der BuddhaPopanz als Werbeträger. Als die Lüge selbst, die ständig Erlösung verspricht und nichts schafft, als die Gier nach ihr.

Im Abholmarkt
Wir sehen hier den Popanz in einem dieser Grossmärkte für Dekorationen, Wohnaccessoires usw., „die den Alltag in Szene setzen“. Das sind die Märkte in denen alles zu haben ist, was man für „die Inszenierung des Alltags“ braucht – inclusive Klebepistole, Reißzwecke undsoweiter undsoweiter. Es geht dort um die Dinge mit denen „Sie Ihre Kunden verführen können“. Es geht um’s Schönerwohnen. Und den Popanz findet man an solchen Orten in Massen. Er rangiert unter der Rubrik „ungewöhnliche Skulpturen und Figuren“. Da steht er dann in Reih und Glied. In allen möglichen Varianten. Von zentimeter- bis metergross. Unter den „nicht alltäglichen Home-Accessoires, für die Ihre Kunden Sie lieben werden.“
Hier beginnt die Ästhetik der Verwertung des Menschen. Im Grossmarkt beginnt die Zone in der es darum geht, eine Aura zu schaffen. Der Zwischenhändler und der Ladeninhaber sind auch Verbraucher. Sie verhelfen dem Endverbraucher mit dieser Aura zu seiner Bestimmung, dem Verbrauchen. Er wird mittels Warenästhetik in die Wertschöpfungskette gebannt. Es geht nur um den Vollzug des Kaufakts. Und diese Märkte sind kein kaltes neonbeleuchtetes Ambiente, in dem es um kühle Kalkulation geht. Hier schon wird im unsichtbar-allgemeinen Zwang über die Ästhetik das Begehren in die Ökonomie gezwungen. Und wie überall geht es auch hier darum, dass der Mensch zum Teil der Maschine wird, geformt wie genormt. Der BuddhaPopanz ist Teil der hier produzierten Individualität mit Waren- und Maschinencharakter. Auch er macht den Menschen zum Teil eines Warenstromes dessen korrekte Korrelation mit anderen Teilen dieses Stromes per App und Add-on einer ständigen Berechnung unterliegt . Der buddhistische Popanz ist Teil der Umstände, die eine fragile, ständig unter Leistungsdruck stehende, hyperflexible und stets anpassungsfähige Individualität entstehen lassen.

Glückliche Tage
Eine Individualität, die den sie durchpulsenden Authentizitätzwang aber auch immer wieder mit dem Zusammenbruch beantwortet. Das erschöpfte Selbst. Die Implosion des kapitalisierten Selbst im schwarzen Krater der Depression. Die Fernreise zur Erleuchtung, zum Buddha, zum edlen Wilden aus dem exotisch zurechtkolonialisierten Osten, wird dann zum Garanten dafür, dieses erschöpfte Selbst wieder herzurichten. Das ist das Alleinstellungsmerkmal und Verkaufsversprechen der stetig wachsenden Achtsamkeitsindustrie. Das Individuum als Alibi des Kapitalismus braucht Urlaub und die Ästhetik des Popanz verheisst glückliche Tage.

Das Pflegemittel
Der Popanz als GlückMaschine und Meditation als Pflegemittel. Die Verlockung, die dem Selbst nun selbst das Glück als Zwang auferlegt. Die Muse als ertragsförderndes Muss im OnlineModus. Allerdings, wie jedes WarenVersprechen bleibt auch das Versprechen der Erlösung stets unerfüllbar. Stets so nah in seinem Erwachen, bleibt der Popanz unerreichbar. Sein Versprechen erfüllt sich nur in seiner steten Fortsetzung. Seine Erfüllung kann es nicht geben, das würde den Menschen wieder zum Menschen machen. Stattdessen wird die endgültige Lösung des Zwangs zum Zwang und das Perverse selbst zernormt nun den Menschen: Seine Versklavung, die seine Freiheit ist.

Perlen vor die Säue?
So vergammelt der Buddha in einer tristen Existenz als exotische Beigabe zu allerlei Reichtum. Man tröstet sich mit ein wenig Karmakonsum über Reste des Verdachts hinweg, dass keine Veränderung der Verheerung mehr bewirkt werden kann. Die Anderen mit ihrem Scheisskarma sind weit weg. Der medial kommunizierte Terror, das Pfeifen einer Bombe kurz vor dem Einschlag, der von Schrapnells zerrissene Körper, das Einäschern riesiger Slums durch HightechArmeen per Joystick, und schließlich hunderte von Millionen und gar Milliarden von Menschen ohne Zugang zu Selbstverständlichkeiten wie sauberem Trinkwasser, das sind alles KollateralSchäden. Seid achtsam und vergesst den Unrat.

Das bedingte Entstehen des Buddhismus im Kapitalismus
Buddhismus ist Teil des neoliberalen Kapitalismus und als solcher ist er der Popanz. Wie der tibetische Yidam als Teil der Schaufensterdekoration, ist der BuddhismusPopanz im Westen Teil einer Ästhetik deren letzter Zweck die Reproduktion einer globalen Gesellschaft der gegenseitigen Ausbeutung und Lüge ist. Dieser Popanz hat keinerlei determinierende Macht über seine Umgebung, er ist, im Gegenteil, vollständig von dieser bestimmt. Der Traum davon, es sei anders, ist Teil der Strategie der MenschVerwertungsMaschinerie dem Menschen zu suggerieren, er sei frei, glücklich und autonom in seinen Wahlmöglichkeiten. Dieser Traum ist Teil des TraumImplantates des KontrollApparates, der Kontrolle unkenntlich macht, indem er sie in Freiwilligkeit verwandelt. Achtsamkeit ist Teil der Kontrolle. Dabei ist Achtsamkeit trivial. Sie ist schlichte Aufmerksamkeit. Nun allerdings als das Achten auf die Norm, die sich ganz unschuldig als Glück einschleicht. Mit Achtsamkeit kauft man, was alle sowieso schon haben. Genauso wie Trinkwasser, das als Lifestyleprodukt in tausend Varianten teuer verkauft wird oder wie der Sonnenschein selbst, den man nun besteuert, genauso wird Aufmerksamkeit kapitalisiert. Achtsamkeit ist die zum Popanz gemachte Aufmerksamkeit des Menschen.
Meditation und Achtsamkeit als Leerworte und Scheintätigkeit und Teil der Ästhetik des Buddhismus als ReligionsPorno. Der optimierte Körper als Leistungsnachweis und Beleg des Willens zur Ware. Die Meditation die Muße des Muss. Als RegenerationsZwang der ProduktDividualität in der nun auch BILD die Erlösung durch Meditation verkündet. Im NormKörper der Makellosigkeit und „im Lotussitz einen sicheren Halt für die tiefe Meditation“ finden. Das Dispositiv der allgemeinen SelbstKontrolle zeigt sich im MeditationsKörper der Teil wird einer umfassenden WarenÄsthetik die der Reproduktion des WarenZwanges als Freiheit dient. Das freie, autonome, individualistische Ich übernimmt die Qualitätskontrolle der KörperGeistMaschine.
Doch man konstatiert, der Popanz ist verlogener als vieles. Unser alltäglicher Zynismus, die willkürliche Hinrichtung durch die Drohne, der vor den Augen der Weltöffentlichkeit eingeäscherte Slum, der vor laufender Kamera Geköpfte, das alles ist ehrlich in dem Sinne, dass es sich der Schande nicht mehr schämt: Zeig alles. Befreie dich zum kaltblütigen Abschlachten, lache über das Entsetzen deines Opfer, suhle dich im Bild des Terrors, sieh zu wie deine Gewählten den Brand schüren. Das alles ist Alltag und niemand schämt sich deswegen. Der Popanz hingegen gibt vor, kein Teil der Schande zu sein. Der Popanz ist rein, frei von Sünde, erhaben, jenseits des Weltlichen, kurz: Den Popanz betrifft das nicht. Die Schande dagegen, die die Ehrlicheren leben, ist die Lüge die offen zeigt, dass sie Lüge ist. Lüge, Verrat, Raub, Mord, Vergewaltigung, Rassismus.

Der Popanz auf der Kirmes
Dabei entpuppt sich der Popanz als Kirmes. Das Wundern über das Sein, dem die Kirche im besten Falle diente, wird im Buddhismus zu einem trostlosen Fest, dessen Nährstoffe sich auf die spirituellen Äquivalente von Zucker, Fett und Alkohol beschränken. Die Kirchweihe wird zum Jahrmarkt der Eitelkeiten und die spirituelle Fettsucht all der Achtsamkeitslehrer, oberschlauen Dauermeditierer, erleuchtungsbesoffenen Dharmaschwafler und die Welt umjettenden Supergurus wird zum Maß der Dinge für das werterschöpfte Selbst, das sich zufällig diesem Popanz um Hilfe suchend zuwendet und nicht beizeiten merkt, dass es über den Tisch gezogen wird.
Aber zuletzt ist der Popanz ein Haufen Kram den wir hinterlassen. Müll der sich zu Müll gesellt. Der die Berge hinabgeschwemmt wird, in die Bäche, Flüsse und Meere. Dort sich sammelt, absinkt und eine Sedimentschicht bildet. Eine dünne, nicht einmal millimeterdicke Sedimentschicht. Eine, die in Jahrmillionen der einzige Rest dieser Zivilisation sein wird. Eine hauchdünne Schicht Plastikmüll, mit ein paar Krümeln neunmalkluger Sprüche drin. Der Horizont des Popanz.