Reform oder radikale Kritik?

M. Steingass —  25.7.15 — 5 Kommentare

Kritik am westlichen Buddhismus hinterlässt Spuren. So waren kürzlich im Editorial von Buddhismus aktuell 2/2015 einige nachdenkliche Sätze darüber zu lesen, dass man über „Meditation“ im westlichen Kontext neu nachdenken müsse, da sie evtl. lediglich zur Selbstoptimierung im neoliberalen Wirtschaften diene (vgl. dazu auch Tybalts Meditation). Zwar bietet das ganze Heft dann fast ausnahmslos den üblichen x-buddhistischen Mumpitz zum Thema, aber immerhin kommt man anscheinend ins Grübeln. Auch das aktuelle Heft von Buddhismus aktuell (3/2015, Thema: Gender) erscheint, zumindest vor dem Hintergrund einer erzkonservativen buddhistischen Esoterik, geradezu revolutionär. Der Schein trügt allerdings. Fast überall findet man – zumeist implizit – Aussagen über die Superiorität des X-Buddhismus. Alles was Moderne und Postmoderne an Erkenntnissen liefert, hat man ausschließlich vor dem Hintergrund x-buddhistischer Exzeptionalität zu sehen. Dies wird demnächst ausführlicher zu beleuchten sein, denn wiewohl, gemessen daran, woher der deutschsprachige Buddhismus kommt, hier ein Fortschritt zu sehen ist, muss dieser daraufhin befragt werden, ob er in Hinsicht auf die Gesellschaft in der er stattfindet, tatsächlich ein solcher ist. In dieser Hinsicht muss dieser Fortschritt sehr deutlich relativiert werden.

Auf Grund eines englischsprachigen Podcasts, der das Projekt des Spekulativen Non-Buddhismus recht ausführlich beleuchtet, bietet sich allerdings Gelegenheit, für eine grundsätzliche Stellungnahme gegenüber dem X-Buddhismus und auch gegenüber den offensichtlich beginnenden Reformbestrebungen, die man auch bei uns seit einiger Zeit beobachten kann. (Der Podcast findet sich hier, über das SNB-Projekt wird ab 54:30 gesprochen). Die beiden Gesprächspartner geben an einer Stelle zu bedenken, dass wir in den englischsprachigen Diskussionen (auf diesem Blog), nie zu einer einvernehmlichen Haltung mit anderen angeblich fortschrittlichen Buddhisten gekommen seien. Das Gleiche gilt auch für die Haltung, die man auf diesem Blog hier findet. Warum ist das so? Warum gibt es diese unversöhnliche Haltung auch gegenüber diskussionsbereiten Leuten aus dem Feld des X-Buddhismus?

Die Antwort ist einfach: Es kann keine Reform des X-Buddhismus geben! Reformen aber sind es, die man anstrebt – egal ob das iBuddhismus heisst, MBSR, Säkularer Buddhismus oder sonstwie. Der deutschsprachige Buddhismus, wie auch der gesamte westliche Buddhismus, ist von seinem Ursprung im 19. Jahrhundert her eine christlich geprägte ErlösungsFantasie. Er ist als solche Teil und Ausdruck kapitalistischer Ökonomie. Wenn man – der Einfachheit halber und um das zu illustrieren – als Ausgangspunkt für den deutschsprachigen Buddhismus den von Schopenhauer inspirierten Karl Eugen Neumann nimmt, stellt man fest das dieser Buddhismus nie ein radikales Denken in Bezug auf seine Wurzeln entwickelt hat. Dieser Buddhismus blieb immer blind gegenüber den Strukturen, die sein Denken prägten. Wollte man solche Strukturen sichtbar machen – um damit indischen buddhistischen Denkern wie Nagarjuna, was Bedingtes Entstehen angeht, nachzugehen –, müsste man der Linie folgen, die sich von Schopenhauer über Nietzsche entfaltet. Hier fände man radikales Denken. Die Neumann-Linie allerdings kann man so oft reformieren wie man will, es können sich auf Grund eines seinen Ursprüngen gegenüber blinden Denkens immer nur Varianten desselben ergeben. Man kann das in jedem der oben genanten Beispiel belegen.

In unserer Situation heute ist inzwischen überdeutlich, dass kapitalistisches Wirtschaften zu unglaublichen Widersprüchen führt, die aus diesem Wirtschaften heraus selbst nicht aufhebbar sind. Man muss das hier nicht im Einzelnen nachweisen. Der Punkt ist, dass X-Buddhismus als Teil dieser zerstörerischen Wirtschaftsweise ebenso wenig reformierbar ist wie der Kapitalismus selbst. Das ist der Grund, warum es auch mit vermeintlich fortschrittlicheren Buddhisten letztlich keine Übereinkunft geben kann.

Der Spekulative Non-Buddhismus kann deshalb keine Reformbestrebung sein. Der Spekulative Non-Buddhismus versucht stattdessen eine radikale Kritik zu formulieren, die in der Tradition eines westlichen Denkens steht, das versucht seine eignen vorbewussten Strukturen deutlich zu machen. Das führt automatisch zu einer Kapitalismuskritik, da die kapitalistische Wirtschaftsweise, die auf Ausbeutung und Zerstörung beruht, selbst Ausdruck von Strukturen ist, die man für naturgegeben hält, während sie tatsächlich Ergebnis eines Prozesses sind, den man geschichtlich fassen und bewusst machen kann – und muss! Diese Bewusstmachung angeblich naturgegebener Zustände, findet man auch im indischen Buddhismus (als Ausgangspunkt für so viele weitere Varianten dieses Denkens in Asien). Buddhismus ernst genommen, führte damit zwangsläufig zu einer Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen – vor allem wenn man mit der so genanten dritten Edlen Wahrheit ernst machen wollte. Ein solcher Buddhismus allerdings wäre für den X-Buddhismus nicht mehr erkennbar. Er wäre eine radikal neue Idee von Buddhismus.

Der Spekulative Non-Buddhismus versucht Ansätze für ein solches Denken zu finden. Ansätze allerdings, die nicht etwas Bestehendes reformieren wollen, sondern die ein Ereignis im Sinne Alain Badious beschwören. Dieses Ereignis ist etwas undenkbares – so undenkbar wie eine Alternative zum Kapitalismus. Wenn eine solche Idee in unserer ideenlosen Zeit der Alternativlosigkeit auftritt, wird sie ein Gefahr sein. Man muss bereit sein sich dieser Gefahr auszusetzen. Das ist der Unterschied den man gegenüber x-buddhistischen Reformbestrebungen machen muss und das ist die nicht zu überbrückende Differenz.

Die Heuristik des Spekulativen Non-Buddhismus bietet eine Art Werkzeugkasten, sich einem radikalen buddhistischen Denken anzunähern bzw. sich für eine radikale Idee zu öffnen. Sie ist allerdings selbst nicht diese Idee. Es geht zunächst um einen notwendige Ernüchterung gegenüber dem X-Buddhismus (und in der Folge auch gegenüber dem Kapitalismus), es geht um die Ausserkraftsetzung seiner Ermächtigung, um das Zulassen der aporetischen Dissonanz und schliesslich um die aporetische Prüfung. All dies führt allerdings nur zur Erkenntnis, dass der X-Buddhismus nicht reformierbar ist und das man sich anderswo umsehen muss, um nach Lösungen für die kranke Situation in der wir uns befinden, zu suchen.

Diese Heuristik mag nicht das einzige Mittel dieser Art sein, aber es ist wichtig sich den Unterschied klar zu machen, der solche Mittel von den Pseudolösungen des X-Buddhismus trennt.

Gender

Buddhismus aktuell 3/2015

Wenn man also die Reformbemühungen allenthalben sieht, dann muss man anerkennen, dass wohl hier einigen ein Licht aufgeht. Sie sind ein deutliches Eingeständnis darüber, dass mit dem Buddhismus, der sich bisher gegen jegliche Kritik sträubte, etwas nicht stimmt. Man muss allerdings fragen, wie weit denn die kritische Einsicht zu gehen bereit ist. Wenn man – wie auf dem aktuellen Heft von Buddhismus aktuell – ein grosses „Gender“ prangen sieht, dann sieht man mit diesem Stichwort, dass das angeblich naturgegebene Geschlecht in Frage gestellt wird. So weit so gut. Ein halbes Jahrhundert nachdem Foucault die Initialzündung für derartige Kritiken setzte – in der Linie Nietzsches –, ist das nun auch beim X-Buddhismus angekommen. Man wird allerdings sehen müssen, in wie weit es sich hier um eine wohlfeile postmoderne Mode handelt. Dies wird leicht zu beobachten sein. Man muss nur die Frage stellen, ob man bereit ist, der Logik die mit dem Genderbegriff verbunden ist, wenn man ihn ernst nimmt, in jegliche Richtung zu folgen. Dann würde sich nämlich ergeben, dass mit dieser Logik früher oder später eine grundsätzliche radikale Kritik des gesellschaftlichen Systems verbunden ist, in dem wir leben und dass für einen verheerende globale Situation verantwortlich ist.

Erst an diesem Punkt kann es eine ernsthafte Diskussion geben, die über einen Smalltalk bei einem Bier – oder einer Bionade – hinausgeht.

Reformen sind ausgeschlossen.

5 Antworten zu Reform oder radikale Kritik?

  1. 

    Es ist mit gut gemeinten und im Einzelnen auch mal gut gemachten Anstrengungen, wie etwa der anthropologischen Waldorfschulen, insofern sie den ökonomischen Grund missachten, immer das gleiche: es sind auf Sand gebaute Gebäude.

  2. 

    Das Beispiel Waldorfschule ist interessant. Es zeigt, dass vor dem Hintergrund des reichlich esoterischen Denkens Steiners, eine Pädagogik entstanden ist, die sich nicht ohne weiteres dem heutigen Leistungsdiktat beugt.

  3. 

    …es sind anthroposophische Anstrengungen, nicht anthropologische: Lapsus, sorry

  4. 

    „In unserer Situation heute ist inzwischen überdeutlich, dass kapitalistisches Wirtschaften zu unglaublichen Widersprüchen führt, die aus diesem Wirtschaften heraus selbst nicht aufhebbar sind.“

    Ich glaube, dass dies deinen wunden Punkt gut zum Ausdruck bringt. Ich denke eher, dass das menschliche Leben voll von Widersprüchen ist, das ist kein spezifisches Problem des Kapitalismus. Und diese Widersprüche lassen sich nicht auflösen, nur aushalten – und genau darin kann eine große Freiheit liegen. Siehe auch M. Steingass, „Kunst statt Wahrheit“, 2.8.2015 ebenda :))))

  5. 

    Der Text „Kunst statt Wahrheit“ ist von Matthias M., nicht von mir. Trotzdem unterschreibe ich ihn voll und ganz. Vor allem folgende Passage:

    Auch ich kenne diese tiefsitzende, existentielle Angst. Aber ich möchte mich dieser Angst stellen, ihr ins Angesicht blicken. Ich akzeptiere, dass mein Leben auf subjektiven Meinungen, Haltungen und Wünschen aufgebaut ist. Ich akzeptiere, dass alles, was ich mir in meinem subjektiven Schneckenhasu zurechtlege, eine Illusion sein könnte. Für mich macht es das Leben einfacher. Es macht es gewissermassen zu einem Spiel. Einfach nicht alles so Ernst nehmen, zumindest wenn es um das eigene, kleine, vernachlässigbare Selbst geht. (meine Hervorhebung)

    Das Sehen der Leerheit führt zu einer gewissen heiteren Gelassenheit.

    Allerdings ergibt sich aus diesem Sehen dennoch ein Verantwortung gegenüber der Situation in der man sich derart wieder findet. Das kann man mit buddhistischer Philosophie begründen, mit christlicher Theologie (vgl. Laudato si von Franziskus), sowie auch, um einen scheinbar diametral gelagerten Pol zu wählen, mittels marxistischen Gedankengängen. Aus allen drei Perspektiven heraus lässt sich begründen, dass eine rein utilitaristische Wirtschaft, die jedes Objekt in den Kreislauf der Kapitalisierung einfügt und es damit erst zu einer ganz bestimmten Objektform im Rahmen einer einzigen Wertform macht, Dinge ausser Acht lässt, die das Überleben eben dieser Wirtschaft sichern würden und müssten. Der Kapitalismus ist ein solche Wirtschaftsform. Er zerstört die Grundlage seines eigenen Überlebens. Dies ist empirisch vielfach nachgewiesen – wobei gleichzeitig gezeigt werden kann, dass diese Erkenntnis nicht zu einer Veränderung führt. Am bekanntesten sind diese Fakten in der Öffentlichkeit bezüglich der Klimaproblematik. Es ist also – leider – nicht „mein“ wunder Punkt. Es ist eine allgemeine Katastrophe in die wir verwickelt sind. Daher muss auch eine gewisse heitere Gelassenheit zu etwas anderem dienen, als dieser Katastrophe einfach nur beizuwohnen. Sie muss beispielsweise dazu dienen, Widersprüche nicht nur auszuhalten, sondern sich eine Freiheit zu erringen, die es ermöglicht, sie besser zu verstehen und entsprechend bessere Möglichkeiten zu finden, in der Katastrophe zu leben.

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